„Wer hat’s erfunden?“ Country of Origin-Strategien in der Markenführung

„Wer hat’s erfunden?“ Country of Origin-Strategien in der Markenführung

Aktuell wirbt Apple mit dem Slogan Designed by Apple in California um die Gunst des Publikums. Volkswagen hat bereits vor Jahren den Golf GTI prominent als Pre-tuned by German engineers promoted und Ricolas Wer hat es erfunden-Kampagne ist schon legendär. Alle Ansätze beruhen darauf, dass die Kenntnis der Herkunft von Produkten ein großes und im Zeitalter der Globalisierung immer wichtiger werdendes Kundenbedürfnis ist. Die Assoziationen gegenüber einem Land werden auf Produkte, Marken und Unternehmen dieses Landes übertragen und beeinflussen somit deren Image. Richtig gesteuert, kann damit der Verweis auf die eigene Herkunft bei den Kunden zu einer erhöhten Präferenz und Zahlungsbereitschaft – sprich Mehrumsatz und Mehrertrag – führen.

Die meisten Länder haben in der Welt ein Image, sei es aufgrund persönl icher Besuche, vom Hörensagen oder durch Berichte in den Medien. Ob diese Images immer voll und ganz zutreffend sind, sei dahingestellt. Entscheidend ist, dass Länder-Images das Image von Marken aus diesem Land beeinflussen, und das Image einer Marke direkten Einfluss auf das Kaufverhalten hat. Mindestens historisch basieren Länder-Images auch auf tatsächlichen Eigenschaften, Errungenschaften oder Entwicklungen der Länder. Das Image der Schweiz geht beispielsweise auf die Uhrenindustrie zurück, die im 18. und 19. Jahrhundert die Herstellung tragbarer mechanischer Uhren perfektionierte und diese in die ganze Welt exportierte. „Made in Germany“ war ursprünglich als Strafkennzeichnung zur Erkennung von Produkten des Kriegsgegners Deutschland in England gedacht und verkehrte sich in den Nachkriegsjahren beispielsweise durch qualitativ hochwertige Produkte der Automobil- und Maschinenindustrie ins Gegenteil.
Erfragt man heute Image von Ländern ungestützt, werden vorwiegend Stereotype zurückgespielt. Dies zeigen die beiden Tagclouds der Schweiz und von Deutschland.
Wichtiger als die ersten Bilder, die mit einem Land in Verbindung gebracht werden, ist in aller Regel aber das Imageprofil eines Landes, das gestützt abgefragt wird und widerspiegelt, inwieweit ein Land zum Beispiel als vertrauenswürdig bewertet wird, oder Produkte, die in einem Land hergestellt werden, als qualitativ hochwertig wahrgenommen werden.
Deutsche wie Schweizer Produkte und Dienstleistungen werden als qualitativ hochwertig betrachtet und zeichnen sich durch Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit aus. Es wird ihnen international großer Respekt entgegengebracht. Die großen Stärken von Schweizer Produkten liegen insbesondere in ihrem Luxus und der Exklusivität, der Sympathie, die ihnen entgegengebracht wird, und in ihrer Tradition. Eine relevante Schwäche liegt hingegen im relativ gesehenen schlechten Preis-Leistungs-Verhältnis sowie der Innovationskraft. Im Gegensatz dazu weisen deutsche Produkte relativ gesehen keine Stärken, aber dafür auch keine nennenswerten Schwächen aus. Sie glänzen dafür mit soliden Werten in allen abgefragten Bereichen. Im Vergleich mit der Schweiz wird ihnen aber ein hohes Technologielevel, Innovation sowie ein gutes Preis-Leistungs- Verhältnis zugeschrieben. In diesen Kategorien stehen Produkte aus Deutschland an zweiter Stelle und müssen sich lediglich durch Produkte aus Japan geschlagen geben.

Marken-Herkunft

Damit ist die Nutzung des Herkunftslandes für viele deutsche und Schweizer Unternehmen grundsätzlich attraktiv. Dies kann auf unterschiedliche Arten geschehen. In der Schweiz ist ein Co-Branding von Unternehmen mit dem eigenen Land weit verbreitet. Die Unternehmen nehmen dabei in der eigenen Marke Bezug auf die Herkunft, d.h. sie geben bereits in ihrem Logo einen klaren Hinweis auf die Schweiz. Dies geschieht beispielsweise durch ein Schweizerkreuz, einen verbalen Hinweis „of Switzerland“ oder durch die Nutzung klar als solcher erkennbare Schweizer Symbole wie dem Matterhorn. Aktuell nutzen von den bedeutsamsten Schweizer Marken knapp 30 Prozent die Schweiz als Co-Brand (Quelle: www.markenplakat. ch). Dies ist ein sehr hoher Wert, insbesondere, wenn man bedenkt, dass die Verwendung des Schweizerkreuzes auf Produkten bis zur Annahme der Reform des Wappenschutzgesetzes im Juni 2013 im Grunde untersagt war.
In Deutschland ist ein offensives Co-Branding von Anbietern mit dem Land nur sehr wenig verbreitet. Dennoch spielt die Herkunft für viele Unternehmen eine wichtige Rolle. So wird ein Großteil der Autos von BMW, Mercedes, Audi, Volkswagen und vermutlich auch Opel bewusst als deutsches Auto gekauft – unabhängig davon, ob ein Auto auch „Made in Germany“ ist oder „nur“ von einem deutschen Unternehmen entwickelt und produziert wurde. Auch die deutsche Maschinenindustrie profitiert im Wettbewerb mit amerikanischen und asiatischen Anbietern stark vom deutschen Qualitäts-Image.
In der Kommunikation wird die deutsche Herkunft schon etwas stärker eingesetzt, wie unter anderem die oben genannten Beispiele von Volkswagen sowie der Lufthansa zeigen. Diese Hinweise auf deutsche Tugenden werden dabei häufig ironisch gebrochen, um nicht den Eindruck eines unerwünschten Überlegenheitsanspruchs aufkommen zu lassen.
Daneben spielt aber auch das implizite Wissen um die deutsche Herkunft eines Unternehmens eine wichtige Rolle sowie entsprechende Hinweise in Verkaufsunterlagen, persönlichen Gesprächen etc., die in aller Regel nicht öffentlich wahrgenommen werden.
Je nach Positionierungsdimension einer Landesmarke können unterschiedliche Branchen von ihrem Country of Origin prof it ieren. Deutschland und die Schweiz sind tendenziell Wertemarken, d.h. sie stehen nicht für einzelne Produkte, sondern für die Werte Zuverlässigkeit und Qualität. Das bedeutet, dass alle Unternehmen, die ihre Produkte und Dienstleistungen mit diesen Werten vermarkten, grundsätzlich von einem Imagetransfer ihres Herkunftslandes profitieren könnten. Dies umfasst grundsätzlich viele Branchen bzw. ist nicht auf die klischeehaft mit diesen Ländern verbundenen Industrien (Autos und Bier für Deutschland – Uhren, Käse, Schokolade und Banken für die Schweiz) beschränkt. Unternehmen, die sich über andere Werte (z.B. spaßorientiert und günstig oder modisch) positionieren wollen, können von der Herkunft Schweiz oder Deutschland weniger profitieren.

Stabiles Image

Images von Ländern sind im positiven wie negativen sehr stabil. Dem guten Image Schweizer Unternehmen konnten die erforderliche Rettung der UBS als größter Schweizer Bank ebenso wenig anhaben wie die Safe-Haven- Diskussion im Finanzwesen oder einige tendenziell als fremdenfeindlich bewerteten Volksabstimmungen. Gleichzeitig kämpft „die Schweiz“ ebenfalls schon viele Jahre gegen die nicht als zufriedenstellend wahrgenommene Innovativität des Landes. Messungen z.B. des World Economic Forums oder andere faktenorientierte Bewertungen kommen zum Schluss, die Schweiz sei in hohem Maße innovativ und innovationsfreundlich. Bereits zum sechsten Mal in Folge hat die Schweiz in der Studie des WEF den ersten Platz erreicht – auch Deutschland lag 2016 erstmals in den Top Ten. In der Breite wird dies allerdings nicht so wahrgenommen (vgl. Spinnendiagramm). Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass der Schweiz im Vergleich mit anderen Ländern ein großes Zugpferd wie Apple, Google, Sony oder BMW fehlt. Die Innovation erfolgt insbesondere durch kleinere Unternehmen, die in der breiten Masse weniger bis gar nicht wahrgenommen werden, für sich genommen aber hoch innovativ sind. Die Schweiz befindet sich somit in Gefahr, in der Wahrnehmung auf ein heiles Märchenland mit Schokolade, Käse, Banken und schönen Bergen reduziert zu werden.
Auch das Image Deutschlands ist sehr stabil. Über die „Marke Deutschland“ wird vor allem seit Beginn der Abgasaffäre von Volkswagen im Herbst 2015 diskutiert. Die Sorge um die Marke Deutschland wurde auch benutzt, um die streikenden Piloten der Lufthansa davon zu überzeugen, ihren Arbeitskampf zu Gunsten der Wahrnehmung Deutschlands im Ausland als verlässliches Land aufzugeben oder zumindest auf Streiks zu verzichten. Empirisch konnte ein Imageschaden noch nicht nachgewiesen werden. In unserer letzten Befragung von April 2016 wurden deutsche Produkte und Dienstleistungen sogar erstmal als führend bewertet und leicht vor Angeboten aus der Schweiz gesehen.
Die Bewertung in den einzelnen Ländern zeigt, dass deutsche und Schweizer Produkte in allen befragten Ländern einen guten bis sehr guten Ruf genießen. Besonders in den BRIC-Staaten ist die Wahrnehmung der Produkte hervorragend. Die kritischsten Bewertungen kommen aus Frankreich und Japan, sind jedoch immer noch als gut einzuschätzen. Zusätzlich kann festgestellt werden, dass die Bewertungen von Produkten aus Deutschland und der Schweiz in allen Ländern sehr dicht beieinanderliegen und nur geringfügige Unterschiede aufweisen.
In der längeren Analyse der Wahrnehmung von Ländern kann festgestellt werden, dass einzelne Unternehmen oder Vorkommnisse das Image eines Landes kaum beeinflussen. Weiterhin werden Themen mit einer moralischen Komponente (wie z.B. die Nazigold Diskussion in der Schweiz) intensiver wahrgenommen als rein wirtschaftliche oder singuläre politische Ereignisse. Ergänzend muss man auch festhalten, dass solche Diskussionen im eigenen Land stets intensiver geführt werden als im Ausland und daher tendenziell schneller ein Schaden der Landesmarke befürchtet wird, als er tatsächlich eintritt.
Nichtsdestotrotz gilt auch bei starken Marken, dass steter Tropfen den Stein höhlt. Es wäre demnach falsch, wenn Politik und Wirtschaft gedankenlos Raubbau an der Landesmarke betreiben würden. Auswirkungen entstehen erst langfristig und bei nachhaltigem markentechnischen Fehlverhalten, sind dafür dann aber umso dauerhafter.

Fazit

Marketing und Kommunikation mit dem Herkunftsland bieten grundsätzlich große Chancen. Diese werden noch nicht von allen Unternehmen genutzt, insbesondere noch nicht in Deutschland. Häufig sehen die Export- oder Auslandverantwortlichen im Unternehmen stärker die Chancen als die lokal Verantwortlichen. Deren Drängen sollte öfter nachgegeben werden. Eine imageadäquate Nutzung der Herkunft (markentechnisch = Gebrauch der Marke) stärkt gleichzeitig auch die Landesmarke. Es ist damit auch aus übergeordneter Perspektive wünschenswert, dass Kunden gute deutsche oder Schweizer Produkte auch als solche wahrnehmen. Gleichzeitig muss sich jeder Akteur – Unternehmen, Politik wie auch Arbeitnehmer – stets der Konsequenzen des eigenen Handelns bewusst sein, um nicht das langfristig aufgebaute Image des eigenen Landes zu gefährden.

Das Institut für Marketing an der Universität St.Gallen (HSG)

Mit rund 35 Mitarbeitenden erforscht das Institut für Marketing der Universität St.Gallen (HSG) aktuelle Themen in den Bereichen Marketing-, Kommunikation- und Verkaufsmanagement. Themen wie Customer Centricity, Business-to-Business-Marketing, Account-Management, Multichannel-Management, digitales Marketing und Marketingperformance gehören dabei zu unseren Schwerpunkten (www.ifm.unisg.ch).

In aktuellen Praxisprogrammen mit Unternehmen fördern wir den Austausch zu Best Practices in Marketing, realem Kundenverhalten – realem Marketing oder den Herausforderungen einer Sales Driven Company.

Ziel des Instituts ist es, die eigene Forschung und Entwicklung mit führenden Unternehmen und Führungskräften zu verbinden. In allen Bereichen wird der Transfer zudem durch betriebsübergreifende und interne Weiterbildungen sowie die „Marketing Review St.Gallen“ (MIM Marken Institut München GmbH) gefördert.

In der Direktion wirken mit: Prof. Dr. Sven Reinecke (Geschäftsführender Direktor), Prof. Dr. Christian Belz und Prof. Dr. Marcus Schögel.

Die Universität St.Gallen (HSG) zählt zu den führenden Wirtschaftsuniversitäten Europas und genießt weltweit einen sehr guten Ruf mit Gütesiegeln, die z.B. auch die Harvard University aus- zeichnen. In renommierten Rankings belegt die Universität St.Gallen (HSG) stets die vorderen Plätze und bietet die beste Management-Weiterbildung im deutschsprachigen Raum. Das Institut für Marketing trägt als Teil der Universität St.Gallen (HSG) zu diesem Erfolg in Forschung und Transfer bei.

Literatur

Feige, Annen, von Matt, Reinecke: Swissness Worldwide 2016 – Image und Mehrwert der Marke Schweiz,
Universität St.Gallen 2016 Feige, Fischer, Mahrenholz, Reinecke: Marke Deutschland – Image und Mehrwert im internationalen Marketing,
Empirische Ergebnisse, Universität St.Gallen 2014

Bilder zum Artikel:
Autorin(nen) / Autor(en):
Geschäftsführer
htp St.Gallen Managementberatung AG
Berater
htp St.Gallen Managementberatung AG.