Finanzberatung wird virtuell – im Zusammenspiel von Online und Offline liegt die Zukunft der Finanzdienstleistung

Finanzberatung wird virtuell – im Zusammenspiel von Online und Offline liegt die Zukunft der Finanzdienstleistung

Die zunehmende Flexibilitätsanforderung des Kunden im Informations- und Abschlussverhalten ist eine der zentralen Herausforderungen für die Finanzdienstleistungsbranche. Zu diesem Ergebnis kommt eine von Icon Added Value durchgeführte bevölkerungsrepräsentative Studie unter 10 000 Haushalten. Die Online-Affinität nimmt unter den Deutschen stetig zu, andererseits zählt das Wort des Beraters aus der Filiale und der Geschäftsstelle ums Eck noch enorm viel. Wie bei der Information ist auch der Abschlussweg stark abhängig vom Produkt: einfache und kurzfristige Produkte werden bereits zu einem Drittel online abgeschlossen. Der Gewöhnungseffekt lässt weitere Hürden fallen.

Die Vorgeschichte: „Banking is essential, banks are not“ – das soll Bill Gates schon im Jahr 1996 gesagt haben. Eine düstere Prophezeiung für das Filial-Banking. Damals stellten sich einige Weitsichtige bereits die Frage, ob die digitale Revolution das Banking vor Ort überrollen und überflüssig machen würde. Was hat sich seitdem getan? Nichts Geringeres als ein Wandel der Gesellschaft. Die Einführung des Computers hat für die Gesellschaft ebenso einschneidende Folgen wie zuvor die Einführung der Sprache, der Schrift und des Buchdrucks. Jeder neue Kommunikationskanal und jedes Kommunikationsmedium bot der jeweiligen Gesellschaft neue Kommunikationsmöglichkeiten. Wir befinden uns an der Bruchstelle zu einer neuen Gesellschaft. Spannende Zeiten.
Die Digitalisierung des Alltags schritt mit Riesenschritten voran. Tweets, Chats, Apps, Web 2.0 & Co. – das Leben ohne Internet ist mittlerweile undenkbar. Die letzten Bastionen traditionellen Medienverhaltens scheinen zu wackeln – man denke nur an die Krise der Tageszeitungen. Sie verlieren Leser (vor allem Jüngere) und Anzeigeneinnahmen an die neuen Medien. Selbst die Mehrheit der heute über 55-Jährigen nutzt bereits regelmäßig das Internet.
Und die Banken? Vor allem die Banken vor Ort? Welche Konsequenzen haben diese Entwicklungen für sie? Zunächst: Wie wir alle wissen und mehrheitlich schätzen, sind sie noch da. Die Präsenz vor Ort ist auch heute – 15 Jahre nach den pessimistischen Prognosen – offensichtlich von hoher Relevanz. Aber die Tendenz zur „Entpersonifizierung“ gibt es auch hier: Die Anzahl der Geschäftsstellenbesuche nimmt ab. Zugunsten der unpersönlichen Kontakte.
Diesem Phänomen wollten wir auf den Grund gehen. Was bedeutet der Trend zum Virtuellen für die Finanzdienstleistungsbranche? Wie stark sind die Veränderungen im Informations- und Abschlussverhalten der Kunden? Wird das Internet auch auf Dauer hauptsächlich ein Informationskanal bleiben? Welche Perspektive hat das Internet als Abschlusskanal? Oder ist es gar doch die Zukunft des Privatkundengeschäfts? Unsere Eigenstudie Das Internet – Informationsplattform oder Verkaufsfläche? sorgt für mehr Klarheit. Hier die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst:

Online-Information immer wichtiger

Das Internet ist prädestiniert, um Informationen einzuholen, und Online-Informationen werden im Finanzdienstleistungsbereich immer wichtiger. 68 Prozent der Befragten stimmen dieser Aussage ganz oder zum Teil zu. Aber das persönliche Gespräch mit einem Berater ist und bleibt unverzichtbar – 76 Prozent der Befragten informieren sich „offline“, d.h. nutzen Quellen außerhalb des Internets, teils in Kombination mit Online- Informationen. Dabei gilt die Faustregel im Informationsverhalten der deutschen Kunden: Je komplexer und langfristiger das „Produkt“, desto wichtiger wird Offline, also der direkte, persönliche Kontakt zum Berater. Was überraschend war: Selbst die unter 30-Jährigen nutzen zu Finanzprodukten noch häufiger Offline-Informationen als sich im Internet zu informieren. Auffallend: Unabhängig von Off- oder Online wird der direkte Kontakt zum Anbieter gesucht. Die bevorzugten Informationsquellen sind einerseits das persönliche Gespräch mit einem Berater, andererseits die Homepage des Anbieters.

Berater bleibt bei langfristigen und komplexen Geldanlagen Vertrauensperson

Wie aber sieht das Abschlussverhalten der Kunden aus? Hat das Internet den persönlichen Berater in der Filiale ums Eck schon substituiert? Online-Banking ist unter den Deutschen sehr beliebt. Über 52 Prozent regeln ihren Zahlungsverkehr online. Online ist bereits der zweitwichtigste Abschlussweg – allerdings mit einem deutlichen Rückstand zum Berater. 19 Prozent aller Abschlüsse im vergangenen Jahr wurden online durchgeführt. Im Vergleich dazu liegen Brief/Fax (7 Prozent) und Telefon (6 Prozent) als Abschlusskanäle deutlich zurück. Doch 76 Prozent schließen immer noch beim Berater vor Ort ab. Dieses Verhalten zieht sich durch alle Altersgruppen hindurch, auch wenn die Jüngeren erkennbar onlineaffiner sind. Auch beim Abschlussverhalten stellt man analog zum Informationsverhalten deutliche Tendenzen fest: Geht es um Tagesgeld oder kurzfristige Geldanlagen, wird der Abschluss gerne online vorgenommen (35 Prozent online versus 53 Prozent beim Berater). Das Bild ändert sich jedoch grundsätzlich, wenn es um längerfristige Geldanlagen, Altersvorsorge oder die Baufinanzierung bzw. den Bausparvertrag geht (Bausparvertrag: ein Prozent online versus 90 Prozent beim Berater). Natürlich werden sich die Gewohnheit und neue Technologien weiter den Weg in andere Kategorien bahnen (zum Beispiel Ratenkredit). Fazit: Der Abschluss beim Berater ist nach wie vor die bei weitem bedeutendste Abschlussform, doch online als Abschlusskanal ist bei den „einfacheren“ Produkten auf dem Vormarsch. Und auffallend ist: Bei vielen großen Geldinstituten kann man durchaus von einem „Online-Defizit“ sprechen. Nimmt man alle Online-Abschlüsse als Basis, gehen 60 Prozent davon an den Filialbanken vorbei und auf das Konto von Direktbanken – angeführt von der ING DiBa. Die Filialbanken schöpfen das Potenzial des Online-Abschlusswegs offensichtlich noch nicht ausreichend aus.
Wie aber verhalten sich Online und Offline zueinander? Wie spielen diese beiden Kanäle zusammen? Kurze Antwort – gut. Sie sind miteinander verflochten und werden häufig in Kombination genutzt. Das heißt, man informiert sich beispielsweise online, schließt aber offline ab. Nahezu alle weiteren Mischformen tauchen hier auf. Bemerkenswert ist aber: Über 40 Prozent der Abschlüsse von Finanzprodukten laufen immer noch rein offline. Das heißt: Für Information und anschließenden Abschluss wird das Internet nicht genutzt.
Die persönliche Beratung kann auch immer noch zum großen Teil in persönlichen Abschluss umgewandelt werden. Aber: Der Berater verliert immerhin fast ein Fünftel des Neugeschäfts an andere Vertriebswege. Und über die Hälfte dieses Verlusts geht bereits in den Online-Kanal. Andererseits übernimmt das Internet eine Art „Zuführungsfunktion“: Die Berater treffen immer häufiger auf online-vorinformierte Kunden.
Wie sind die Perspektiven? Die Mehrheit der Befragten glaubt an eine weiter zunehmende Bedeutung des Internets als Informationsquelle für Finanzdienstleistungen. Auch als Abschlussmedium sehen über 40 Prozent der Befragten das Internet weiter wachsen. Aber nicht zu unterschätzen sind nach wie vor einige Online-Barrieren – insbesondere das Thema Sicherheit, wo bei vielen immer noch große Skepsis herrscht.
Eines darf man aber dabei nicht außer Acht lassen: Präsenz in den neuen Medien oder persönliche E-Mails können einen Teil der Entpersonifizierung ersetzen. Quasi als Person im digitalen Raum. Aber es wird eine andere Art von Kundenbeziehung daraus resultieren, anfälliger für Abwanderung. Ein Trend, der kaum aufzuhalten ist. Dafür sorgt die Demografie: Junge Leute, die mit den digitalen Medien groß werden, werden zum „Bauch der Gesellschaft“ heranwachsen. Ihr Verhalten wird zum Standard im Umgang mit den Finanzdienstleistern.
Zusammenfassend kann man Folgendes festhalten: Die Flexibilität des Kunden ist die Herausforderung für die Anbieter in der Finanzdienstleistungsbranche. Wobei eines unumstritten ist: Ein exzellenter Auftritt offline wie online ist ein Muss. Die Kunden werden jedoch auch weiterhin den persönlichen Kontakt zu „ihrem Berater“ suchen, insbesondere, wenn es ernst wird – also um viel Geld des Kunden geht. Gut, wenn man beides bieten kann.

Autorin(nen) / Autor(en):
Director
Icon Added Value GmbH