Generation Sales - Anforderungen der Millenials

Generation Sales - Anforderungen der Millenials

Die Zusammensetzung der soziografischen Strukturen einer Gesellschaft beeinflusst deren typische Charakteristika. Die für eine bestimmte Generation gängigen Merkmale wirken sich mittelbar auf die Art und Weise aus, wie Unternehmen und deren Abteilungen ihre Personalakquirierungsstrategien denken. Ein rechtzeitiges Verständnis generativer Charakteristika ist insbesondere für den Mittelstand essenziell. So konkurriert man eben auch bei hochqualifiziertem Personal mit großen internationalen Konzernen. Und Vertriebsmitarbeiter gibt es ja auch nicht wie Sand am Meer. Umgekehrt skizzieren die generativen Verhaltens- und Einstellungsmerkmale aber auch in sich partiell homogene Anforderungsprofile der Mitglieder einer solchen Generation, welche von erheblicher Praxisrelevanz sind.

Vor einigen Jahren wurde ich zufälligerweise Zeuge einer Situation. Hier zeigte sich beispielhaft die Weitläufigkeit der sich aus den unterschiedlichen Typologien einzelner Generationen heraus resultierenden Implikationen eben jener differierender Anforderungsprofile für die Betriebe. Im Rahmen einer an der ESB Business School stattfindenden Firmenmesse, in deren Rahmen junge Studierende teilweise erstmalig den Kontakt mit etablierten Unternehmen suchen, beobachtete ich eine Situation, in der eine erstsemestrige Studentin sich im Dialog mit einem Unternehmen über sich potenziell bietende Möglichkeiten für ein Praktikum erkundigte. Ehe die Studentin jedoch inhaltliche Fragen zum Unternehmensprofil oder den Tätigkeitsfeldern im Betrieb stellte, erkundigte sie sich nach der vom Unternehmen gebotenen Work-Life-Balance sowie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Nicht nur ich, sondern auch der anwesende Unternehmensrepräsentant, beide wirkten wir etwas verdutzt angesichts dieser Interessenspriorisierung der Studentin.
Mit ihren damals 20 Jahren ist die Studentin Teil der sogenannten „Millennials“, im deutschen Kulturkreis besser bekannt unter der Bezeichnung „Generation Y“. Diese Generation umfasst all jene, deren Geburtsdaten zwischen den Jahren 1980 und 2000 liegen. Obschon bereits zahlreiche Studien zu den Charakteristika jener Generation publiziert wurden, deren Ergebnisse teilweise stark divergieren und von der Charakterisierung der Millennials als faul, empathielos und narzisstisch bis hin zu engagiert, ethisch sensibel und engagiert reichen, suggeriert auch der gegenwärtige Stand der Forschung noch kein finalisiertes Profil der Millennials (vgl. auch Schulenburg, 2016). Umso beachtlicher eingedenk der anstehenden zahlreichen Arbeitsmarkteintritte dieser Generation.
Eine von uns am Lehrstuhl für Marketing und Vertriebsmanagement an der ESB Business School durchgeführte Studie beschäftigte sich deshalb mit der Frage nach den Anforderungen der Millennials hinsichtlich einer Tätigkeit im Vertrieb für einen Mittelständler. Nach einer prägnanten, für das Verständnis der Studie unabdingbaren Erklärung des Forschungsdesigns folgt eine Darlegung der generellen Befunde. Die letzten beiden Teile intendieren die Ableitung von praxisrelevanten Handlungsempfehlungen für den Mittelstand und den Vertrieb.

1 Studiendesign
1.1 Ziel der Studie

Die Studie intendiert die Erlangung eines tiefer gehenden Verständnisses über die Denkansätze, Sichtweisen und Anforderung der Millennials in Bezug auf deren Arbeitsverhältnisse sowie eine Durchleuchtung der für die Selektion des Arbeitgebers relevanten Kriterien. Gleichzeitig sollen die von den Millennials vertretenen Perzeptionen des Mittelstandes und des Vertriebs aufgezeigt werden. Hieraus sollen praxisrelevante Handlungsempfehlungen für mittelständige Unternehmen abgeleitet werden, deren Anwendung zu einer besseren Zugänglichkeit der Millennials führt.

1.2 Studienaufbau und -struktur

Die im Rahmen der Studie realisierte Erhebung erfolgte vermittels einer in Kooperation mit den süddeutschen Mittelständlern Team Connex AG und Morgenstern AG deutschlandweit durchgeführten Online-Umfrage im Zeitraum von April bis Mai 2015. An der Studie partizipierten insgesamt 535 Millennials, deren Zusammensetzung aus Hochschulabsolventen, Studierenden und angehenden Abiturienten besteht. Knapp 60 Prozent der Teilnehmenden sind weiblichen Geschlechts. Hinsichtlich der Altersstruktur entstammen 57 Prozent der Teilnehmenden den Jahrgängen 1992–1995 und 21 Prozent der Geburten fallen in den Zeitraum zwischen 1988 und 1991. Auf den Zeitraum zwischen 1996 und 2000 entfallen 12 Prozent. Die beruflichen Stati der Partizipierenden sind zu 59 Prozent im Bachelorstudium, zu 11 Prozent im Masterstudium sowie zu 12 Prozent in einem festen Arbeitsverhältnis befindlich zuzuordnen. Aufgrund der mangelnden Reflektion des gesamten Spektrums der Millennials in Bezug auf den Bildungshintergrund sowie der unverhältnismäßig hohen Anzahl jener sich im Bachelorstudium befindenden Millennials dieses Teilnehmerprofils erhebt die hier vorliegende Studie keinen Anspruch auf Repräsentativität. Vielmehr verhilft die Studie zum Verständnis der bald in den Arbeitsmarkt eintretenden, hochqualifizierten Arbeitskräfte und geht daher mit einer relativ hohen Informationsrelevanz einher.

Die den Millennials oft abgesprochene Existenz des Arbeitswillens kann durchaus widerlegt werden.

Die seitens der Studienteilnehmer beantworteten Fragen sind überwiegend offener Natur, mit dem Ziel der Maximierung generierter subjektiver, möglichst ungefilterter Eindrücke der Millennials. Der Fragebogen ist um geschlossene Fragen erweitert, welche den Studienteilnehmern zu priorisierende vorgegebene Antwortmöglichkeiten offerieren. Diese Antwortmöglichkeiten sind der ordinalen Einordnung der Interessenspriorisierung dienlich. Entstandene Ausreißer wurden im Rahmen der Auswertung entsprechend geglättet.

 

2 Einblicke in die Denkweise der Millennials
2.1 Selbsteinschätzung und die steigende Wichtigkeit „softer“ Faktoren

Für die Zugänglichkeit zu einer Personengruppe von besonderer Relevanz gehört deren Selbsteinschätzung. Diese erlaubt einen weitgehenden Einblick in das Mindset der betroffenen Personen und ermöglicht als Konsequenz des dadurch entstehenden näheren Verständnisses eine Steigerung der Effizienz in auftretenden Interaktionen.
Auffallend ist, dass sich knapp 58 Prozent aller Befragten für ziel- und leistungsorientiert halten (vgl. hierzu Abb. 1). Im betriebswirtschaftlichen Kontext bietet diese Erkenntnis insbesondere in Zusammenhang mit der Tatsache Informationsgehalt, dass, entgegen oftmals vorherrschender Meinung, ca. 56 Prozent unter der Kondition der Möglichkeit einer gegebenen Identifikationsgrundlage mit dem Arbeitgeber große Arbeitsbereitschaft an den Tag legen. Die den Millennials oftmals abgesprochene Existenz des Arbeitswillens kann hier also durchaus widerlegt werden, muss aber um den Zusatz der Wichtigkeit einer Identifikationsbasis erweitert werden. 198 aller Befragten halten sich selbst für kritisch hinterfragend.
Mehr als 57 Prozent der Befragten schätzen sich selbst als weltoffen und flexibel ein, wobei ca. 39 Prozent ein Verständnis für Vielfältigkeit und Toleranz aufbringen. Der Zusammenhang mit der Aussage, dass ca. 36 Prozent der Befragten den engen und persönlichen Kontakt mit den Mitarbeitern, ca. 25 Prozent Kreativität und Innovation am Arbeitsplatz schätzen, indiziert erste Denkrichtungen der Millennials.
98 der Befragten erwarten regelmäßiges Feedback ihrer Arbeitgeber und für nur 54 steht die individuelle Selbstverwirklichung im Vordergrund. Dieser Informationsgehalt steht der gängigen vorherrschenden Meinung offensichtlich entgegen.
Interessant erscheint die Bedeutung des Gehaltes für die Gen Y. Bei knapp drei Viertel aller Befragten beeinflusst das Gehalt den Auswahlprozess am erheblichsten (vgl. Abb. 2). Dieses Resultat erscheint eingedenk des immer wieder getätigten Postulats der abnehmenden Bedeutung dieses Faktors für den Auswahlprozess besonders nennenswert.
Die darauffolgenden Faktoren indizieren allerdings in aller Deutlichkeit einen Anstieg der Bedeutung „softer“, also nicht eindeutig vermittels Kennzahlen quantifizierbarer Faktoren. 57 Prozent der Befragten erachten die Karriereperspektive als für die Wahl des Arbeitgebers am ausschlaggebendsten, was mit dem oben festgestellten Leistungsmotiv einhergehen könnte. Bereits 52 Prozent machten hingegen die Arbeitsatmosphäre als bedeutendsten Faktor aus. Obschon Faktoren wie Internationalität, Nachhaltigkeit und die Feedback-Kultur eine gewisse Bedeutung innehaben, stehen sie bei der Bewertung der wichtigsten Faktoren auch bei den hier Befragten der Generation Y hintan. Eine Akzeptanz der privaten Internetnutzung am Arbeitsplatz ist nur für knapp 7 Prozent der maßgebende Faktor.
Mit den generierten Informationen geht eine gewisse Bedeutung für die seitens der Unternehmen bereit gestellten Incentivierungssystemen einher. Nach wie vor kommt vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse der monetären Incentivierung eine primäre Bedeutung zu. Darüber hinaus können aber auch andere Anreizarten gedacht werden. Aussicht auf Weiterentwicklung und Verantwortungsübernahme, Teamaktivitäten bei guter Leistung sowie der Einsatz an verschiedenen internationalen Standorten auf Wunsch können – und sollen – das Incentivierungsspektrum zukünftig noch stärker als bisher ergänzen.

2.2 Die ausgeprägte Internationalität in Denken und der Erfahrung

Besonderes Charakteristikum und im Kontext vorhergehender Generationen (z.B. Generation X als Generation der Babyboomer) signifikantes Alleinstellungsmerkmal der Millennials sind deren globale Denkansätze sowie die bereits in jungen Jahren ausgeprägte internationale und transkulturelle Mobilität. 67 Prozent der Befragten verfügten zum Zeitpunkt der Datenerhebung bereits über Auslandserfahrung (vgl. Abb. 3).

Besonderes Charakteristikum der Millennials sind deren globale Denkansätze.

Nähere Aufschlüsselung dieser Auslandserfahrungen indizieren den bewusst intendierten Charakter dieser Auslandserfahrungen. 23 Prozent der Befragten absolvierten bereits ein Praktikum im Ausland, 20 Prozent partizipierten an Austauschprogrammen. Für ein Fünftel aller Befragten ist die Auslandserfahrung in deren Studium inkludiert, wohingegen 12 Prozent Work & Travel im Ausland realisieren. Der Wunsch nach Beibehaltung internationaler Umfelder auch am Arbeitsplatz scheint sich auf Grundlage dieser Zahlen ipso facto aufrecht zu erhalten. Insbesondere mittelständische Unternehmen müssen sich in mit multinationalen Konzernen um qualifizierte Arbeitskräfte konkurrierenden Situationen eben Anforderungen der Millennials an eben diese Internationalität gewahr sein.

 

2.3 Das Internet als Kanal der Arbeitsplatzsuche

Eingedenk der Tatsache, dass die Millennials als erste Generation in ihrer kindlichen und jugendlichen Entwicklung bereits von digitalen Angeboten Gebrauch machen konnten, erscheint es wenig überraschend, dass das Internet mit knapp 60 Prozent als primärer Kanal der Arbeitsplatzsuche fungiert (vgl. Abb. 5). Mittelständische Unternehmen sollten dies zum Anlass nehmen, ihren Digitalauftritt auszubessern und holistische Konzepte der Online-Akquise zu entwickeln. Vom eigenen Web-Auftritt der Unternehmens-Homepage über Präsenz auf Portalen wie beispielsweise Step-Stone hin zu sozialen Medien wie Facebook, Twitter aber auch Xing und LinkedIn, sollten Mittelständler ihre Präsenz an jenen Stellen ansetzen, an denen Millennials nach ihnen suchen. Bloße Schaltung von Zeitungsannoncen oder Karrieremessen sind im Lichte der generativen Merkmale der Generation Y nicht länger ausreichend.

2.4 Die Präferenz zukunftsweisender Branchen

Die ausdifferenziert anmutenden Millennials sind auch hinsichtlich der Wahl der Branche, in der sie ihre Arbeit aufnehmen möchten, nicht indifferent. So konstatieren 73 Prozent der in der Studie Befragten die subjektive Wichtigkeit der Wahl einer zukunftsweisenden Branche (vgl. Abb. 6). Art, Gestalt und nähere Definition des Terminus zukunftsweisend obliegt hierbei zwar dem die Antwort gebenden Subjekt, eine Rangordnung der Attraktivität einzelner Branchen ergibt sich allerdings aus den Erkenntnissen der hier vorliegenden Studie.
Die größte Attraktivität hat die Automobilbranche inne, gefolgt vom Dienstleistungssektor, der Konsumgüterindustrie und dem Bereich IT und Medien (vgl. Abb. 7). Die Finanzindustrie rangiert mit 9 Prozent aller Bewertungen auf Platz fünf. Auffallend ist die geringe Attraktivitätsbeimessung der verarbeitenden Mettallindustrie, der Pharmaindustrie sowie der Chemieindustrie. Während somit Unternehmen aus den zuvorderst genannten Branchen bei den befragten Millennials einen Attraktivitätsvorsprung genießen, könnte eine Notwendigkeit der im unteren Segment der Attraktivitätseinschätzung situierten Branchen zur gezielteren Ansprache der Millennials und deren Überzeugung von der Attraktivität der eigenen Branche bestehen.

2.5 Der Vertrieb als tendenziell unattraktives Zielarbeitsfeld

Dem Vertrieb als einem der zentralen Bereiche unternehmerischer Tätigkeit kommt bei der hier vorliegenden Untersuchung eine besondere Bedeutung zu. Von den 427 Befragten erachten lediglich 30 Prozent den Vertrieb als äußerst attraktiv und vergaben die Schulnoten 1 und 2 (vgl. Abb. 8). Die am häufigsten vergebene Note war mit 26 Prozent die 3, dies entspricht „befriedigend“, also eine eher als neutrale Sicht zu interpretierende Position. Der Rest der Befragten, also etwa 43 Prozent, geben an, dass der Bereich Vertrieb für sie entweder unattraktiv oder sehr unattraktiv sei.
Daraus lässt sich auf eine überwiegende Unattraktivität des Vertriebs für Millennials schließen. In Anbetracht obiger Befunde, beispielsweise der Eigeneinschätzung als eher „weltoffen und mobil“ oder aber als „ziel- und leistungsorientiert“, mögen diese Befunde doch eher verwunderlich anmuten. Die Attraktivitätseinschätzung des Vertriebs kann aber, wie im weiteren Verlauf noch aufzuzeigen sein wird, anhand diverser nicht erschöpfender Maßnahmen aktiv und proaktiv beeinflusst werden.

Bilder zum Artikel:
Autorin(nen) / Autor(en):
Lehrstuhl für Marketing und Vertriebsmanagement, ESB BUSINESS SCHOOL REUTLINGEN
Prof. Schmäh Sales & Service Consulting
Student, International Management (IMX)
ESB Business School