Modemarken erobern das Internet – aber noch nicht den Kunden!

Modemarken erobern das Internet – aber noch nicht den Kunden!

Die Mode hat ihren Weg ins E-Commerce deutlich später gefunden als andere Sortimente wie z.B. Bücher oder Unterhaltungselektronik. Spätestens seit 2009 hat die Modebranche aufgeholt. Fast im Wochentakt wurden neue Mode-Shops im Internet gegründet.

Anbieter – und das ist neu – sind häufi g Markenhersteller. Das Internet mausert sich damit von der Schnäppchen-Rampe zum Laufsteg für Marken. Den Markenherstellern ist in erster Linie daran gelegen, ihre Produkte anspruchsvoll zu inszenieren – und entsprechend wird in Grafi k und Imagefotografi e investiert. Eine aktuelle Studie* der dbu Unternehmensberatung zeigt, dass 89 Prozent der E-Shops von Modemarken Imagefotografi e einsetzen. Produkte werden im Schnitt mit 2,8 Abbildungen pro Artikel in Szene gesetzt.
Auf dem Weg ins Netz setzen viele Markenhersteller auf Outsourcing. Spezialisierte Fullservice-Dienstleister ermöglichen auch Neueinsteigern im E-Commerce auf Anhieb, ihre Produkte in einem hoch professionellen Shop-Auftritt nach neuesten technischen Standards zu präsentieren.
Dass diese erprobten, aber letztlich stark standardisierten Komplettangebote dazu führen, dass sich viele E-Shops zum Verwechseln ähnlich sehen, ist die Kehrseite der Medaille. Zunächst einmal eröffnen sich dem Markenhersteller völlig neue Möglichkeiten, sich vom Großhandels-Lieferanten zum Direktanbieter für Endverbraucher weiter zu entwickeln. Die etablierte Rollenverteilung zwischen Herstellern von Markenprodukten und dem Handel ist augenscheinlich im Umbruch; mit offenem Ausgang.
Die Motive der Markenhersteller für den Einstieg in den Online-Vertrieb sind dabei höchst unterschiedlich: Die Präsenz im Internet kann ein Instrument sein, um die Marke auch im stationären Handel zu stärken. Viele Hersteller mussten in den vergangenen Jahren erleben, wie etablierte Absatzwege durch Insolvenzen großer Handelsketten unter Druck gerieten; nun wird nach neuen Wegen gesucht. Und nicht selten spielt wohl auch schlicht das Bedürfnis eine Rolle, am virtuellen Zukunftsmarkt teilzuhaben.



In jedem Fall werden die Handelspartner nicht ohne Skepsis auf die neuen Aktivitäten blicken. Im Modehandel sinken seit Jahren die Flächenumsätze. Zusätzlich zum Verdrängungswettbewerb zwischen den Einzelhändlern konkurrieren Marktplätze wie Amazon, Versandhändler, Shopping-Clubs und Shopping-Kanäle im TV um den Kunden. 60 Prozent* der großen Textilhersteller in Deutschland sind nun ebenfalls mit eigenem E-Shop präsent und erhöhen den Druck weiter.
Die Hersteller stellen sich diesem Konfl ikt, obwohl die Umsätze des Internet-Geschäfts noch weit davon entfernt sind, die Probleme im stationären Handel auszugleichen. Der Anteil von E-Shops am Gesamtumsatz liegt meistens deutlich unter fünf Prozent. Und auch von einigen erfahrenen Retailern ist bekannt, dass es ihnen noch nicht gelungen ist, den E-Shop in die schwarzen Zahlen zu führen.
Diese Beobachtungen waren Anlass für eine Studie der dbu Unternehmensberatung zum Status quo des Multichannel- Vertriebs bei Modeherstellern (siehe Infobox). Im Mittelpunkt stand die Frage, welches die Voraussetzungen sind, um den Multichannel-Vertrieb eines Markenherstellers zum wirtschaftlichen Erfolg zu machen.
Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass zwar mit dem Aufbau eines funktionsfähigen E-Shop die erste Hürde erfolgreich genommen wurde, dies allein jedoch nicht ausreicht. Um wettbewerbsfähig zu sein, müssen die Markenhersteller nun das Handwerkszeug der Händler erlernen. Denn im Internet konkurriert der E-Shop eines Markenherstellers mit zahlreichen anderen Shops, die ähnliche und zum Teil identische Produkte derselben Marke anbieten. 40 Prozent der Marken-Shops treten mit mindestens fünf weiteren E-Shops in Wettbewerb. Allein die Verfügbarkeit eines Marken-Shops im Netz bietet dem Kunden also noch keinen Mehrwert. 

Interessante Leistungen bieten, sich vom Markt- Einerlei abheben und auf Kundenbedürfnisse eingehen: an den originären Erfolgsfaktoren für Händler hat sich wenig geändert. Regt der E-Shop zum Kaufen an, regt die Beschäftigung damit an? Eine wertige Warenpräsentation legt die Basis; Geld verdient wird aber durch gezielte Aktivierung der Kunden zum Kauf und wirkungsvolle Kundenbindung.
Diese aktive Kundenentwicklung steckt bei den EShops der Markenhersteller noch in den Kinderschuhen. So können 36 Prozent der Modemarken ihren Kunden keinen funktionierenden Newsletter – einen der grundlegendsten Aktivierungshebel – anbieten. Ein Viertel der Anbieter scheitert an der Umsetzung: der Kunde kann sich zwar für den Newsletter registrieren, jedoch wurde den Testkunden in den folgenden zwei Monaten kein einziger Newsletter zugeschickt. Verkaufsfördernde Instrumente wie Gewinnspiele oder befristete Angebote werden nur in einem Viertel der E-Shops eingesetzt.
Während bei den typischen Internet-Anbietern die Kundenempfehlung fast standardmäßig als wirksame Verkaufsunterstützung eingesetzt wird, setzen nur sechs Prozent der Modehersteller dieses verkaufsfördernde Instrument ein. An diesem Beispiel wird deutlich, wie schwer sich die nicht aus dem Internet heraus entwickelten Anbieter mit dem Einsatz von wirkungsvollem und kundengeneriertem Content tun.
Auch die Kommunikation „um das Produkt herum“ kommt häufi g zu kurz. Kunden kaufen dort, wo es ihnen am bequemsten und sichersten scheint. Dennoch verzichten 28 Prozent der E-Shops darauf, dem Kunden den Bestellvorgang in gut verständlich aufbereiteten Hilfeoder Service-Seiten zu erklären. Sie verweisen den Kunden stattdessen auf die juristischen Klauseln in den AGB. Hier wird die Chance vertan, die Vorteile für den Kunden herauszustellen und Vertrauen aufzubauen. Zum Beispiel die Möglichkeit, Ware, die nicht gefällt, problemlos zurückzusenden: Natürlich hat jeder Anbieter ein hohes Interesse daran, Retouren so gering wie möglich zu halten. Der Kauf auf Probe bleibt aber nach wie vor ein ganz wesentliches Motiv für den Kauf im Distanzhandel.
Nun kann man durchaus argumentieren, dass es für Markenhersteller mehr Sinn macht, sich auf das Produkt zu fokussieren und den Händler-Werkzeugkasten Dienstleistern zu überlassen. Outsourcing stößt hier jedoch an Grenzen. Ein Fullservice-Dienstleister kann das Betreiben des E-Shops und die Kaufabwicklung durch Bündelung von Know-how und Mengen häufig effizienter und professioneller betreiben. Die eigentliche Kundenbeziehung muss vom Unternehmen her aufgebaut und über alle Vertriebs- und Kommunikationskanäle konsequent geführt werden. Nur so ist nachhaltige Kundenbindung möglich.
Umsatz und Ergebnis des E-Shops sind nicht die einzigen Kriterien für dessen wirtschaftlichen Erfolg. Gerade aus Sicht der Markenhersteller liegt der wesentlich größere Hebel darin, den Kunden über alle Vertriebskanäle hinweg an die Marke zu binden. Der EShop ist dabei nicht nur ein Abverkaufsweg, sondern ein wichtiger Baustein im umfassenden Markenerlebnis. Die große Chance gerade für Markenhersteller liegt im Zusammenspiel der verschiedenen Vertriebskanäle wie bei Instrumenten in einem Orchester, mit jeweils unterschiedlichem aber harmonierendem Charakter und Leistungsprofil.
Kunden, die den Anbieter über mehrere Zugänge besuchen, sich dort informieren und unterhalten, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit dort auch kaufen, reklamieren und ihre Kundenmeinungen veröffentlichen. Sie beweisen damit ganz eindeutig ihre Präferenz. Für den Anbieter bringt das höhere Imagewerte, tiefere Kundenbindung und nicht zuletzt bessere Umsätze beim einzelnen Kunden. Die Umsätze von Kunden, die mehrere Zugänge nutzen, sind nachweislich höher, als die von Kunden, die nur über einen Kanal beim Anbieter einkaufen.
Die E-Shops werden dennoch weit gehend separat vom stationären Handel betrieben. Nur 14 Prozent der betrachteten Unternehmen stellten in ihrem E-Shop den Shopfinder deutlich heraus. Bei den übrigen Modemarken verbirgt sich dieser Hinweis auf Filialen unauffällig im Hintergrund oder auf der Unternehmensseite, sodass das Ziel eines Multichannel-Marketings kaum erfüllt wird. Nur ein Unternehmen bietet überhaupt eine Serviceleistung an, die E-Shop und Filialen miteinander integriert, in diesem Fall die Abholung online bestellter, maßgefertigter Artikel in der Filiale.
Wird der Weg der Multichannel-Verzahnung konsequent gegangen, löst sich auch das Dilemma der „Konkurrenz“ zum Handel auf. Es stehen nicht mehr konkurrierende Vertriebswege im Mittelpunkt, sondern die verschiedenen Berührungspunkte zum Kunden. Sollen die Handelspartner motiviert werden, Kunden in den E-Shop weiter zu leiten, müssen sicherlich auch Incentivierungsmodelle grundlegend auf den Prüfstand gestellt werden.
Noch konzentrieren sich viele Modemarken im Netz auf ihre ureigene Stärke, das Produkt. Die Chance, den Kunden zu entwickeln und kanalübergreifend zu binden, wird erst in Ansätzen genutzt. Wem es gelingt, den Kunden öfter und bei verschiedenen Anlässen abzuholen, wird langfristig den Differenzierungswettbewerb um den Kunden gewinnen und erfolgreich bleiben.

Autorin(nen) / Autor(en):
Geschäftsführer
dbu Unternehmensberatung
Senior Consultant
dbu Unternehmensberatung