Tesla und der Aha-Effekt im Markt für Oberklasse-Limousinen

Tesla und der Aha-Effekt im Markt für Oberklasse-Limousinen

Im Jahr 2013 hat Tesla 22 477 Fahrzeuge des Typs Tesla S produziert und an Kunden ausgeliefert. Audi hat im selben Zeitraum 39 717 Fahrzeuge des Typs Audi A8 produziert, Porsche 24 789 Porsche Panamera und VW im gleichen Zeitraum 5812 Fahrzeuge des Typs Phaeton. Dabei entfallen bei Audi, Porsche und VW ein Großteil der Fahrzeuge auf den Heimatmarkt Deutschland und auf China, da eben viele Manager und Händler in Deutschland die Oberklasse- Fahrzeuge nutzen und der VW-Konzern zusätzlich stark China-lastig ist.

Klammert man etwa Deutschland aus, entfielen von der Gesamtproduktion der Phaetons etwa 4200 auf die Welt ohne Deutschland. Dabei ist der Phaeton genau wie der Audi A8 kein Neuling im Markt. Die Zahlen zeigen, was Tesla gelungen ist. Fast über Nacht konnte Tesla weltweit eine Marke im Oberklasse-Segmente etablieren. Dies ist etwa VW auch nach fast zwölf Jahren mit dem Phaeton nicht gelungen und wird zu Lebzeiten des geistigen Vaters des Phaeton, Ferdinand Piëch, wohl nicht mehr gelingen.
Was hat der Tesla, das der Phaeton oder andere wichtige Oberklasse-Modelle der deutschen Autobauer nicht haben? Gegenüber den klassischen Oberklasse-Herstellern hat der Neuling Tesla eine Innovation, welche Premiumkäufer anspricht. Der Grund, Premium zu kaufen, ist, etwas Besonderes zu kaufen. Wer einen Aha-Effekt auf dem Golf-Platz oder bei einem anderen Event auslösen will, fährt mit Tesla S vor und nicht mit einer S-Klasse, einem Porsche Panamera, einem Audi A8 oder BMW 7er. Dies war übrigens vor 20 Jahren ähnlich in Kalifornien, als Filmstars und Promis eben den Toyota Prius als Wagen hatten. Dass dieser Aha-Effekt bisher gut funktioniert, zeigt sich an den wichtigen Verkaufszahlen im Oberhaus der automobilen Luxusgesellschaft.

Auf wichtigsten Oberklasse-Märkten ist Tesla Marktführer

Die Tabelle zeigt, dass im Jahr 2013 Tesla von seinem Modell Tesla S in USA 16 150 Fahrzeuge verkauft hat. Im derzeit wichtigsten Premium-Markt der Welt, in USA, ist Tesla im ersten Jahr Marktführer. Mercedes hat im Jahr 2013 in USA 13 303 Modelle seiner S-Klasse verkauft, BMW 10 932 Exemplare des 7er, Audi 6300 Fahrzeuge der Modellreihe A8 und Porsche 5421 Fahrzeuge vom Typ Panamera. Ein kleiner David fährt im ersten Jahr seiner Existenz allen deutschen Premium-Anbietern davon. Zwar profitiert Tesla in USA von Kaufprämien für Elektroautos, aber dennoch ist das Ergebnis höchst erstaunlich. Dabei war das Jahr 2013 für Tesla in USA keine Eintagsfliege, sondern auch in den ersten vier Monaten des Jahres 2014 hat sich der Tesla S in USA besser verkauft als seine deutschen Wettbewerber.
Im kleinen Markt Norwegen läuft der Tesla S völlig konkurrenzlos gegenüber den deutschen Oberklassen-Limousinen. Der meistverkaufte Audi, die Kompaktklasse Audi A3, und der meistverkaufte Mercedes, die A-Klasse, wurden im Jahr 2013 in Norwegen etwa so oft verkauft wie der Tesla S. Dies aber nur, weil der Tesla S erst im zweiten Halbjahr 2013 in den Markt gekommen ist. In diesem Jahr ist der Tesla S hinter dem VW Golf auf dem zweiten Platz der Zulassungsstatistik. Vom Tesla S wurden in den ersten vier Monaten mehr als dreimal so viel Fahrzeuge verkauft wie vom bestverkauften Audi, dem A3. Kein Mercedes ist in den ersten vier Monaten unter den Top 20 verkauften Pkws in Norwegen. Zwar hat Norwegen ganz erheblich Vorteile für den Kauf von Elektrofahrzeugen, die sicher deutlich bevorzugen, aber die Deklassierung der traditionellen Hersteller könnte kaum größer sein.
Selbst bei unseren Nachbarn in Holland wird der Tesla S besser verkauft als die Oberklasse-Fahrzeuge der deutschen Autobauer. Beschämend nimmt sich der Verkauf des vom VW-Aufsichtsratsvorsitzenden erfundenen Phaetons in Holland aus. Ganze zwei Fahrzeuge wurden im letzten Jahr in Holland verkauft. Eine schöne Luftdüse und viele elektrische Sitzversteller bewegen die Holländer kaum und machen noch lange keine Premium-Marke. Aber offensichtlich gelingt dies einer Innovation, die gesellschaftlich bewundert wird.
Nahezu das gleiche Bild wie in den bereits genannten Märkten stellt sich für die Schweiz ein. Das besondere an der Schweiz: Die Schweiz ist ein Markt für hochpreisige Fahrzeuge. Bezogen auf die Bevölkerung werden in keinem größeren Land mehr Oberklasse- Fahrzeuge verkauft als in der Schweiz. Und, in der Schweiz gibt es keinerlei Subventionen für Elektroautos. Also aus dem Stand ohne Subventionen für Elektroautos an die Tabellenspitze als neues Unternehmen ist schon eine besondere Leistung, die bisher in dieser Weise in der Branche nicht beobachtbar war.

Bewährungsprobe für Tesla, aber auch für die klassischen Oberklasse-Hersteller läuft

Natürlich ist die Bewährungsprobe für Tesla noch lange nicht zu Ende, sondern steht am Beginn. Aber der Beginn kann sich sehen lassen. In der Bewährungszeit gibt es für Tesla nicht nur Risiken. Aus China war vor ein paar Tagen zu hören, dass die Importzölle auf Elektroautos fallen würden und dann die Importeure vermutlich zusätzlich Zugang zu den Kaufprämien für Elektroauto haben werden. Wenn das der Fall ist, kann Tesla den wichtigsten Markt der Welt angehen. In Shanghai, wird gemunkelt, hat wohl Tesla bereits 3000 Nameplates mit der lokalen Verwaltung ausgehandelt, die dem Unternehmen erlauben, Fahrzeuge in Shanghai ohne die Zusatzkosten der Nameplates – etwa 10 000 US-Dollar – anzubieten. Im Gegenzug scheint sich Tesla verpflichtet zu haben, seine erste Auslandsfabrik in Shanghai zu bauen. Die Chancen für Tesla scheinen eher zu steigen als zu fallen.

Wenn Tesla weiter so durchstartet und etwa China gewinnt, verlieren die deutschen Autobauer wichtige Kunden und zum Teil ihr Premium-Image.

Was für Tesla gilt, gilt nahezu umgekehrt proportional für die deutschen Oberklasse-Hersteller. Wenn Tesla weiter so durchstartet und etwa China gewinnt, verlieren die deutschen Autobauer wichtige Kunden und zum Teil ihr Premium-Image. Gegenüber den klassischen Autobauern hat Tesla einen großen Vorteil. Man kann sich auf das Elektroauto konzentrieren und muss keine Befürchtungen haben, dass zu viele staatliche Eingriffe das Angebot an traditionellen Fahrzeugen – sprich Diesel und Benziner – beeinträchtigen. Tesla kann damit die Rolle des Innovators spielen und seine Marke in sehr kurzer Zeit weltweit im Premium-Geschäft deutlich positionieren. Genau das ist für die deutschen Autobauer schwieriger, weil 99% des Geschäfts eben konventionelle Fahrzeuge sind. Der deutsche Autobauer mit den besten Chancen auf diesem Feld scheint BMW zu sein. Mit dem i3 und dem i8 und angedachten weiteren Modellen der i-Reihe kann BMW, ähnlich wie Tesla, eine Innovatoren-Rolle spielen. Im Premium-Markt ist das von ungeheurer Bedeutung, denn der Premium-Kunde will den Grund für den Premium-Preis wissen. Traditionelle Hausmannskost à la VW Phaeton lässt Oberklasse-Käufer kalt. „Vorsprung durch Technik“ wird derzeit neu definiert. Ob das Experiment klappt, kann heute noch niemand sagen. Aber wenn es klappt, sieht es für einige andere weniger gut aus. Die bisherigen Verkaufszahlen von Tesla geben dem Unternehmen Mut und zeigen, dass Tesla auf die leichte Schulter zu nehmen, wohl eine riskante Wettbewerbsstrategie ist.

 

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Autorin(nen) / Autor(en):
Direktor, CAR-Center Automotive Research
Universität Duisburg-Essen