Der Einzelhandel im Wandel

Der Einzelhandel im Wandel

Erst 25 Prozent der Unternehmen setzen sich mit den Herausforderungen der digitalen Disruption ausführlich auseinander.

Innenstädte werden sich verändern. Die Anzahl riesiger Verkaufsflächen wird sich langfristig reduzieren, zunehmen wird statt dessen die Zahl an Marken- Stores, die verhältnismäßig klein, aber dafür digital ausgerichtet sind – sprich, mit ihren Online- Shops vernetzt sind.
Der deutsche Online-Handel sieht aktuellen Berechnungen zufolge im Jahr 2015 einem Plus von zwölf Prozent entgegen 1. Mit einem prognostizierten Umsatz von 41,7 Milliarden Euro hält der E-Commerce in Deutschland fast neun Prozent am vorhergesagten Gesamtumsatz im Einzelhandel von 469 Milliarden Euro. Bis 2020 wird mit einem Anstieg des E-Commerce-Anteils auf etwa 30 Prozent gerechnet. Die Verlagerung der Kundenbudgets Richtung online nimmt also weiter zu. Darüber hinaus bestimmt zunehmend der Mobile Commerce das Kaufverhalten. Zahlreiche Kunden informieren sich im Geschäft mit ihrem Smartphone über Produkt, Preis und Anbieter. Etwa acht Prozent der Verbraucher schließen diese mobile Recherche im Geschäft unmittelbar mit einem Kauf über das eigene mobile Endgerät ab, wie Stephan Tromp, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Handelsverbandes, erklärt: „Die Smartphone- Nutzung im Laden zeigt, wie wichtig es für den Handel ist, seinen Kunden vor Ort einen Internetzugang über WLAN anzubieten.“

Multi-Channel im Handel

Aber nicht nur die Nutzung des Smartphones ist im Laden heute populär – gefragt ist eine weiter greifende Vernetzung von Offline und Online, um die Attraktivität des stationären Handels zu wahren bzw. wieder herzustellen. Denn es herrscht großer Nachholbedarf im deutschen Einzelhandel. Weder nützt es, E-Commerce als Konkurrenz zu beklagen noch macht ein lieblos installierter Web- Shop Sinn. Erforderlich ist ein Umdenken – eine Multi- Chanel-Strategie. Denn so, wie der Kunde auf vielen Kanälen unterwegs ist, so muss auch der Händler auf mehreren Kanälen unterwegs sein.
Als führende, innovative Kommunikationsagentur machten wir uns bei Serviceplan hierzu schon vor einiger Zeit ausführlich Gedanken und bauten 2014 an unserem Standort in München einen Shop so, wie er in der Zukunft aussehen könnte: Auf 50 Quadratmetern kann mittels moderner Technologien ein Warensortiment abgebildet werden, das eigentlich einer Verkaufsfläche von 250 Quadratmetern bedürfte. Wir haben exemplarisch einen Point of Sale eingerichtet, wie er zukunftsfähig ist. Dies gelingt durch das Zusammenspiel von Online- und Offline-Elementen. Im weShop funktionieren individualisierbare Kundenansprache mittels Beacon-Technologie, Stilberatung per Video-Konferenz („Call an expert“), paralleles Online-Shoppen nicht vorhandener Produkte via Shop-Tablets, Home Delivery, Warenerkennung mittels RFIDTechnologie oder auch eine Inszenierung des entsprechenden Outfits im Spionspiegel in der Umkleidekabine. Umsetzen konnten wir all dies mit unseren starken Partnern, den Ladenbauexperten der Vitrashop-Gruppe sowie den Technologiepartnern Cancom, Cisco und NEC.
Der weShop zeigt also, wie den „neuen“ Kommunikationsgewohnheiten des Konsumenten entsprochen werden kann. Erreicht wird dies mit Lösungen wie Echtzeitmarketing, also anlassbezogener Content-Aussteuerung, mit persönlicher Ansprache etwa durch digitale Kundenkarten, durch integrierte Werbemaßnahmen, die alle Kanäle vernetzen, sowie durch die Inszenierung von Marken beispielsweise durch Storytelling.

So, wie der Kunde auf vielen Kanälen unterwegs ist, so muss auch der Händler auf mehreren Kanälen unterwegs sein.

Wir beobachten auf der einen Seite also großes Interesse, auf der anderen Seite aber auch noch viel Skepsis und Unsicherheit. Tatsache ist, dass der Einzelhandel auf die durch die Digitalisierung unserer Welt hervorgerufenen Veränderungen nicht ausreichend vorbereitet ist, weil weder die notwendige IT-Infrastruktur noch eine übertragung der Digitalisierung auf den PoS im Fokus standen. Während die Zalandos und Westwings dieser Welt, also die Pure Player im Bereich Online, über die entsprechende Backend-Struktur verfügen, fehlt eine solche dem stationären Handel zumeist komplett. Für Online-Händler ist es ein Leichtes, sich einen Laden anzumieten und auch offline aktiv zu werden. Nicht aber umgekehrt.
Der weShop zeigt neue Möglichkeiten auf, auf die Digitalisierung zu antworten, ja, sie anzunehmen und zu integrieren. Das Projekt steht aber auch für die Notwendigkeit ganzheitlicher Change-Prozesse in Unternehmen. Denn es geht nicht darum, in einer Kurzschlusshandlung einen eigenen weShop zu installieren, sondern es geht um neue bzw. angepasste Geschäftsmodelle.
Eine aktuelle Studie von IMD und Cisco 2 sagt etwa, dass in den kommenden fünf Jahren durchschnittlich vier der zehn umsatzstärksten Firmen jeder Branche durch digitale Disruption aus den Top Ten verdrängt werden. Wie die CEOs darauf reagieren? Nehmen sie die Herausforderungen an und transformieren sie ihr Unternehmen, um von der Digitalisierung zu profitieren, anstatt unter ihr zu „leiden“? Offenbar noch nicht ausreichend. Denn nur 25 Prozent der knapp 1000 für die Studie befragten Wirtschaftsführer geben an, dass ihr Management proaktiv auf die digitale Disruption reagiere und das eigene Geschäftsmodell neu aufstelle.
Erforderlich ist also vor allem auch für Agenturen in Zukunft, Unternehmen bzw. Kunden mit ganzheitlichem Consulting zu begleiten und die digitale Transformation als Ganzes im Blick zu haben.

 

Bilder zum Artikel:
Autorin(nen) / Autor(en):
Geschäftsführer
Serviceplan Gruppe