KI im Handel - Konkrete Anwendungsfälle gefragt

KI im Handel - Konkrete Anwendungsfälle gefragt

Handel Keine Frage: Künstliche Intelligenz (KI) stellt eines der wichtigsten Zukunftsthemen unserer Gesellschaft dar. Das Disruptionspotenzial erscheint riesig. Auch wenn der Trend zum kommerziellen Einsatz von KI durch die großen Technologieunternehmen weiter zügig voranschreitet, bleibt die Diskussion häufig nur oberflächlich.

Auf der einen Seite stehen vermeintliche Anwendungsfälle, die sich bei näherem Hinsehen maximal als maschinelles Lernen entpuppen. Auf der anderen Seite stehen Bedenken der Konsument*innen, die KI als unheimlich oder gar bedrohlich empfinden, ohne tiefere Kenntnis der Mechanismen zu besitzen. Eine nüchterne Analyse konkreter Anwendungsfälle ist gefragt. Im Einzelhandel – sowohl online als auch stationär – bieten sich interessante Einsatzmöglichkeiten für Künstliche Intelligenz, die weit über die bekannten Bereiche wie Warendisposition hinausgehen. Viele Handelsunternehmen haben bereits Projekte in diesem Bereich gestartet, andere stehen noch am Anfang und sehen sich mit Herausforderungen technologischer, prozessualer, organisatorischer, aber auch kultureller Art konfrontiert. Den einen fällt es schwer, relevante Use-Cases zu identifizieren, für die anderen ist die Technologie möglicherweise noch nicht ausgereift genug und die Ergebnisse von Pilotprojekten bleiben hinter den Erwartungen zurück. Und dann gibt es noch die Konsument*innen, deren Akzeptanz für KI-basierte Anwendungen zunächst niedriger ist als gedacht.

16 konkrete Use-Cases für KI im Handel

Das ECC Köln hat gemeinsam mit Safaric Consulting in einem Leitfaden 16 konkrete Use-Cases für KI im Handel zusammengestellt und nach Aufwand, Nutzen, Fristigkeit und notwendigen Rahmenbedingungen analysiert. Dabei lassen sich zwei grundsätzlich unterschiedliche Stoßrichtungen identifizieren: Erstens KI-Anwendungen im direkten Kundenkontakt, die von Kund*innen als KIAnwendung erkannt werden können, bspw. Crossund Upselling-Vorschläge im Online-Shop. Zweitens KI-Anwendungen, die im Hintergrund zur Prozessoptimierung genutzt werden und unbemerkt von Kund*innen ablaufen, wie zum Beispiel die KI-gestützte Generierung von Artikeldaten.

Vielfalt an Anwendungen

Die Anwendungen sind sehr unterschiedlich und insbesondere die Reifegrade unterscheiden sich erheblich. Prozessuale Anwendungen sind vergleichsweise einfach nach Prozesskennziffern zu beurteilen, auch wenn die exponentielle Entwicklung im KI-Bereich eine Prognose erschwert. Aber zahlreiche Anwendungsfälle von der Massenprüfung von Daten über Kamerasysteme zum Diebstahlschutz bis hin zur Automatisierung in der Sortimentsüberarbeitung dürften sich rasch durchsetzen, sobald die Technologie den entsprechenden Reifegrad erreicht hat.
Zu den technologischen Unwägbarkeiten kommen auf Kundenseite noch Fragen und Unsicherheiten hinzu. Bei Konsument*innen überwiegen die negativen Assoziationen mit dem Begriff „Künstliche Intelligenz“ deutlich. Kritisch wird unter anderem das Unpersönliche gesehen: der Ersatz von Personen durch Maschinen. Befürchtungen gehen auch in Richtung Verdummung, Anpassung des Menschen an die KI und Vereinsamung Die Gefahr des Datenmissbrauchs ist omnipräsent und die meisten Konsument*innen haben diesbezüglich Bedenken.
Die Ergebnisse der Studie Handel mit der Zukunft, bei der das ECC Köln gemeinsam mit Otto Group 2000 internetrepräsentativ ausgewählte Konsument*- innen befragt hat, zeigen eindeutig, dass Konsument* innen zwar häufig eine diffuse Angst vor Datenmissbrauch haben, aber nur schwer einschätzen können, an welchen Stellen sie Daten preisgeben. So geben beispielsweise 51 Prozent der Befragten an, noch nie Daten zum Kaufverhalten preisgegeben zu haben. Davon kaufen jedoch 90 Prozent online ein und 74 Prozent nutzen Kundenkarten.
Es kommt daher darauf an, den Konsument*innen durch KI eine klaren Mehrwert zu bieten und sie dadurch von den zahlreichen Vorteilen der neuen Technologie zu überzeugen. Mit technologischen „Spielereien“ zum Selbstzweck können Kund*innen nicht (nachhaltig) gewonnen und begeistert werden. Konkrete Mehrwerte hingegen wirken anziehend und sind in der Lage, bestehende Bedenken der Nutzer* innen zu überlagern. Um solche konkreten Mehrwerte generieren zu können, ist Kundenzentrierung oberstes Gebot. Die zahlreichen Anwendungsfälle von KI, die zukünftig unser Einkaufserlebnis erheblich verbessern können, reichen von der intelligenten Instore-Navigation, über personalisierte Angebote bis hin zum kassenlosen Supermarkt.

Chancen und Risiken

Die wahrgenommenen Chancen des Einsatzes von KI überlagern die Risiken deutlich. Händler sind gefordert, sich damit auseinanderzusetzen und Chancen für das eigene Business zu identifizieren und zu ergreifen. Unter der Devise Verstehen – Machen – Skalieren sollten Unternehmen im Kleinen starten und Schritt für Schritt relevante Use- Cases erarbeiten – und dabei die Kundschaft stets im Fokus behalten.

Autorin(nen) / Autor(en):
Geschäftsführer
IFH Köln