Marketing in einer neuen Welt

Marketing in einer neuen Welt

Auch das Marketing steht in der Krise auf dem Prüfstand. Die Verunsicherung ist groß. Was ist jetzt relevant und funktioniert? Was ist nie mehr, wie es einmal war? Was bleibt?

Ohne Zweifel ist die Krise tief greifend. Neue Spielregeln, allerdings für die alten Probleme, sollen in Zukunft ähnliche Fehlentwicklungen verhindern. Doch die Gier des Menschen bleibt, sein Hang zu Übertreibungen und seine Neigung, bestehende Entwicklungen zu extrapolieren und kaum wahrzunehmen, was gegen eine aktuelle Interpretation des Auf oder Ab spricht. Menschen neigen dazu zu tunneln, sobald sie sich eine plausible Erklärung der Situation zurecht gelegt haben.
Manche Entscheider der Wirtschaft erlebten schon frühere Krisen. Nach den Höhenflügen von 1975, 1980, 1991 und 2001 setzten schon Rezessionen ein. Rückschläge sind normal. Es gilt aber auch, für 2009/10 zu lernen. Die Aspekte sind beispielsweise Bereinigung und Kostensenkung, Fokussierung sowie Gewichtung der Marketingbudgets in der Interaktion mit Kunden. Zudem bergen Rezessionen die Chance für starke Anbieter, antizyklisch vorzugehen und Marktanteile zu gewinnen. Die aktuelle Krise betrifft Marketing und Verkauf besonders stark. Daher interessiert, wie Unternehmen ihr Marketing und den Vertrieb erneuern, um sich wirksam auf die Zukunft vorzubereiten. Eine Untersuchung des Instituts für Marketing der Universität St.Gallen befasste sich deshalb mit folgenden Fragen:

  • In welcher Form hat die Krise • das Marketing und den Vertrieb in verschiedenen Branchen erfasst?
  • Welche Ansätze und Maßnahmen in Marketing und Vertrieb sind bedeutend, um die Wirtschaftssituation zu nutzen? Was tun erfolgreiche Unternehmen?
  • Welche Erfahrungen können Führungskräfte an andere Entscheider weitergeben?

218 Experten in Marketing und Vertrieb von Unternehmen beteiligten sich an der Umfrage. Eingeschlossen sind Dienstleistungs-, Industrie- und Konsumgüterunternehmen. Das erlaubt generelle Aussagen.

Betroffenheit von Märkten und Unternehmen

Inzwischen wird jedes beliebige Marketingthema damit eingeleitet, dass es gerade in der heutigen Situation besonders wichtig ist. Das ist unglaubwürdig und ärgerlich. So finden sich Artikel, die empfehlen, besonders in der Krise die Image- und Medienwerbung beizubehalten oder gar zu stärken. Das mag einmal richtig sein. Nur wirkt die Krise keineswegs für alle Anbieter homogen. Die Betroffenheit der Märkte und Unternehmen ist sehr unterschiedlich. Eine grobe Einordnung zeigt die Abbildung 1.
Auch wenn sich in der aktuellen Krise manche Unternehmen im roten Feld bewegen, so sind doch Wettbewerb, Kaufzyklen, Verhalten der Absatzmittler und die Beschaffung der Kunden sehr unterschiedlich. Einheitliche Vorschläge zur Bewältigung greifen nie, obschon sich inzwischen manche älteren Berater täglich mit News per Mail melden und wohl bereits selbst glauben, dass sie schon immer wussten, wie es geht. Man müsste nur zulassen, dass sie das Heil bringen.
Oft beurteilen Verwaltungsräte, Top-Manager und Marketingverantwortliche die Situationen des Unternehmens verschieden. Um eine Analogie zu verwenden: Der eine geht von einer leichten Erkältung aus, der andere stellt eine gefährliche Lungenentzündung fest und der Dritte meint, typische Anzeichen eines Herzinfarkts zu erkennen. Damit ist eine wirksame Therapie verunmöglicht. Unternehmen brauchen klare Analysen zur Marktentwicklung und eine gemeinsame Lagebeurteilung.
Folgende Auswertungen unserer Befragung sind nicht so differenziert und spezifi sch, wie wir das verlangen. Deshalb ist es wichtig, die Auswertungen kritisch mit der eigenen Situation und Einschätzung zu vergleichen. Zudem ist es selten ratsam, sich im Durchschnitt zu bewegen.
Als Hinweis erfassten wir das Branchenwachstum bei den einzelnen Befragten. Lediglich 15,6 Prozent der befragten Unternehmen berichten über Branchenwachstum und 24,6 Prozent stagnieren. Der größte Teil der Branchen schrumpft. So verloren 45,7 Prozent um bis zu 20 Prozent, 14 Prozent sogar um 30 Prozent oder mehr. 
Wie entwickeln sich die Unternehmen in diesem Umfeld? Die Situation der erfassten Unternehmen ist deutlich positiver. So wachsen rund 30 Prozent der befragten Unternehmen, 31 Prozent stagnieren und knapp 39 Prozent schrumpfen.
Die Ergebnisse implizieren, dass ein Teil der Unternehmen stärker wächst als die Branche. Ein genaueres Bild zeigt die Matrix in Abbildung 4. In 64,7 Prozent der Fälle geht das Unternehmenswachstum mit dem Branchenwachstum einher, das heißt, dass die allgemeinen Trends der Branche auch die meisten individuellen Anbieter betreffen. Lediglich 5,5 Prozent der Unternehmen wachsen schlechter als die Branche. Und 29,8 Prozent der Fälle gelingt es sogar, stärker als die Branche zu wachsen. Diese Unternehmen schaffen es also, trotz ähnlicher Rahmenbedingungen ihre Ziele besser zu erreichen als der Durchschnitt.

Maßnahmen erfolgreicher Unternehmen

Offensichtlich existieren Unternehmen, die deutlich stärker wachsen als der Markt. Was können andere Unternehmen von diesen lernen? Welche Ansätze im Marketing verfolgen diese Unternehmen, um erfolgreich vorzugehen? Dazu betrachten wir die Detailauswertung von Ansätzen im Marketing und Vertrieb nach Erfolgstypen.
Die Schwerpunkte bei den Ansätzen im Marketing und Vertrieb sind bei allen drei Gruppen sehr ähnlich. Es zeigen sich allerdings wenige, aber daher umso bedeutendere Unterschiede, die insbesondere das Verhalten der nicht erfolgreichen Unternehmen charakterisieren:

1. Fingerspitzengefühl bei Kürzungen im Marketingbudget beweisen!
Nicht erfolgreiche Unternehmen messen der Veränderung und der Restrukturierung des Marketingbudgets eine höhere Bedeutung bei als andere Unternehmen.

2. Marketing-Innovation fördern!
Nicht erfolgreiche Unternehmen unterschätzen die hohe Bedeutung von Marketing-Innovationen auch in der Krise. Erfolgreiche Unternehmen investieren hier hingegen moderat, um auch in schwierigen Zeiten Wettbewerbsvorteile aufzubauen und zu erhalten.

3. Die Position des Marketings stärken!
Nicht erfolgreiche Unternehmen stärken die eigene Position des Marketings nicht ausreichend. Nur wenn das Marketing im eigenen Unternehmen eine bedeutende Rolle besetzt, kann es auch nach außen wirksam seine Konzepte umsetzen.

4. Basics allein reichen nicht aus!
Die Besinnung „Back to Basics“ wird von allen Unternehmen als wichtiger Ansatz für Krise und neue Welt erkannt. Jedoch zeigen die Studienergebnisse auch, dass insbesondere nicht erfolgreiche Unternehmen der Rückbesinnung auf Basics ein besonders hohes Gewicht beimessen. Hierin liegt die Gefahr, wichtige Differenzierungsfaktoren, die eben über das Wesentliche hinausgehen, zu eliminieren und somit eigene Stärken zu schwächen. Unternehmen sollten sich vorsichtig auf das Wesentliche besinnen – es gilt, gründlich zu studieren, welche Ansätze im Einzelfall wesentlich bleiben, um nachhaltig im Wettbewerb zu bestehen.
  

 
Institut für Marketing der Universität St. Gallen

Mit rund 28 Mitarbeitenden erforscht das Institut für Marketing der Universität St. Gallen in den Kompetenzzentren die Themen B-to-B-Marketing, Verkaufsmanagement, Dialogmarketing, Messen, Multi-Channel-Management und kooperatives Marketing sowie Marketingperformance (www.ifm.unisg.ch).

Im strategischen Marketing befassen wir uns mit den übergreifenden Themen Innovatives Marketing, Trends/Kundeninformation/Kundenverhalten, Markenführung, Internationales Marketing, Solutionsund Volumengeschäft, Kundenmanagement sowie Marketingführung und -organisation.

Ziel des Institutes ist es, die eigene Forschung und Entwicklung mit führenden Unternehmen und Führungskräften zu verbinden. In allen Bereichen wird der Transfer zudem durch betriebsübergreifende und interne Weiterbildungen sowie die St. Galler Marketing Review (Gabler Verlag) gefördert.

Im Institutsleiterteam wirken mit: Prof. Dr. Christian Belz (Geschäftsführer), Prof. Dr. Sven Reinecke, Prof. Dr. Marcus Schögel, Dr. Walter Herzog, Dr. Michael Reinhold, Dr. Christian Schmitz, Prof. Dr. Dirk Zupancic.

Flankiert werden diese Aktivitäten durch mehrere weitere Institute im Marketingdepartment der Universität St.Gallen. Spezialisten befassen sich in den Instituten für Versicherungswirtschaft, für öffentliche Dienstleistungen und Tourismus und für Banken, für Wirtschaft und Ökologie sowie den Forschungsstellen für Customer Insight und Internationales Handelsmanagement mit Marketing.
Autorin(nen) / Autor(en):
Leiter Kompetenzzentrum Business- to-Business-Marketing am Institut für Marketing und Handel
Institut für Marketing und Handel