Birgt „PS-Marketing“ ein Risiko?

Birgt „PS-Marketing“ ein Risiko?

Die Autobranche lebt von steigenden PS-Zahlen. PS-Marketing ist nicht nur bei Premium-Herstellern eine fest kalkulierte Strategie. PS-Marketing bringt Unternehmen gute Erträge, denn PS-starke Fahrzeuge haben besondere Gewinnmargen. Mittlerweile schaffen es die Autobauer zwar, steigende PS-Zahlen mit geringerem Verbrauch zu kombinieren, aber zusätzliche PS kosten trotzdem ein Mehr an Energie.

Gleichzeitig schlägt die Internationale Energie- Agentur (IEA) Alarm: 2010 wurde so viel CO2 erzeugt wie nie zuvor. Das Ziel, bis 2020 den Anstieg der Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, ist in Gefahr, so die IEA. Zusätzlich wissen wir, daß Neuwagenkäufer immer älter werden. In Deutschland beträgt das Durchschnittsalter der Neuwagenkäufer mittlerweile 51,3 Jahre. So alt waren Neuwagenkäufer noch nie. Auch hier ist der Trend steigend und auch hier ist bekannt, dass Ältere ökologieaffiner als jüngere Käufer sind. Birgt damit der ungebrochene Trend zu steigenden PS-Leistungen bei Neuwagen ein Risiko für die Autobauer?

Trend zu steigenden PS-Leistungen ungebrochen

Die deutschen Neuwagenkäufer lieben PS. Während 2009, im Jahr der Abwrackprämie, erstmals seit über 15 Jahren die PS-Zahl der in Deutschland verkauften Neuwagen zurückgegangen ist, steigen die PS-Zahlen seit 2010 wieder an (vgl. Tab. 1). Im Durchschnitt hat die PS-Zahl der in Deutschland verkauften Neuwagen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 134,4 PS erreicht. Dies ist ein neuer Rekordwert. Ein Ende der steigenden PS-Zahl scheint nicht absehbar, auch weil der Anteil der SUV weiter steigt. Die durchschnittliche PS-Zahl der SUV betrug in den ersten sechs Monaten des Jahres mit 165 PS knapp 31 PS mehr als des Durchschnittsautos. Mittlerweile werden 13,1 Prozent aller Neuwagen als SUV verkauft. Tendenz klar steigend.

Bentley ist der PS-Protz und Smart der PS-Sparwunder

Die Fahrzeuge mit den meisten PS sind wie nicht anders zu erwarten die großen Limousinen von Bentley, Rolls-Royce und die Sportwagen von Ferrari und Lamborghini. Die 140 in Deutschland im ersten Halbjahr verkauften Bentley Edellimousinen hatten im Schnitt 562 PS-Motorleistung. Die 37 verkauften Rolls-Royce lagen mit 536 PS leicht darunter und die 411 verkauften Ferrari des ersten halben Jahres hatten 530 PS im Durchschnitt.
Der PS-stärkste Premium-Hersteller unter den deutschen Autoherstellern ist BMW (192), vor Mercedes (177) und Audi (172). Der Smart (71 PS) zeigt eindrucksvoll, dass man auch mit wenig PS ein Premium-Fahrzeug auf die Straße stellen kann.

Privatkäufer mit 125 PS beim Neuwagen

Die Privatkäufer sind mit 125,4 PS pro Neuwagen die Käufergruppe mit den geringsten PS-Zahlen. Tab. 2 illustriert dies. 41,2 Prozent aller neu zugelassenen Pkw wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres von Privatkunden angemeldet. Ähnlich zurückhaltend mit PS wie die Privatkunden sind auch die Autohändler. Immerhin 18,4 Prozent oder 298 208 Neuwagen wurden im ersten Halbjahr auf den Autohandel angemeldet. Da der Großteil dieser Fahrzeuge als junge Gebrauchte an die Privatkäufer geht, überrascht die relativ niedrige PS-Zahl von 126 PS kaum.
Die PS-stärksten Neuwagen werden von den Autobauern zugelassen. Die 135 268 von den Autobauern zugelassenen Neuwagen hatten im Schnitt 153,9 PS. Die Fahrzeuge werden überwiegend von den Mitarbeitern und Managern als Dienstwagen genutzt.

Neue Firmenwagen mit 152 PS

Mit 151,6 PS sind auf Unternehmen zugelassene Neuwagen deutlich höher motorisiert als die Fahrzeuge der Privatkunden. Die deutschen Autobauer haben bei den Unternehmen eine besonders wichtige Stellung. 74 Prozent aller Neuwagen, die auf Unternehmen zugelassen wurden, stammen von deutschen Autobauern (Audi, BMW, Ford, Mercedes, Opel, Porsche VW). Mit 159,5 PS ist der Firmen-Neuwagen, der im ersten Halbjahr von deutschen Autobauern gekauft wurde, ausgestattet. Knapp ein Drittel der in Deutschland neu zugelassenen Firmenwagen sind übrigens Kompaktklasse (wie Golf) oder kleiner. Das zeigt, dass die Firmenwagenlimousine schon deutlich mehr PS hat als der Durchschnitt von 159,5 PS andeutet. So hat der Durchschnitts-Porsche als Firmenwagen seine 349 PS. Der von den Importeuren verkaufte Firmenwagen hat lediglich 129 PS. Importeure verkaufen also die kleineren Fahrzeuge an Unternehmen. Die deutschen Autobauer profitieren damit deutlich von den verkauften PS.

Trend nicht ohne Risiko

Der Trend zu steigenden PS-Zahlen auch im Firmenkundenmarkt wird sich die nächsten Jahre fortsetzen. Neuere Fahrzeuge sind in der Regel höher motorisiert. Zusätzlich spielt die Verschiebung der Fahrzeugsegmente in Richtung SUV eine wichtige Rolle. SUV sind höher motorisiert. Dabei muss höhere Motorisierung nicht mit höheren Umweltbelastungen einhergehen. Downsizing (kleinere Motoren) und vieles mehr trägt dazu bei, die Normverbräuche zu reduzieren. Allerdings ließen sich die Normverbräuche noch stärker reduzieren, wenn auf Zuwachs bei der Motorisierung verzichtet würde. Der Trend immer weiter steigender Motorleistungen birgt die Gefahr, dass Energieverbrauch und Motorleistung sozial immer weniger akzeptiert werden. Dies könnte insbesondere bei Firmenwagen ein Risiko darstellen. Dieses Risiko ist unter den Autobauern nicht gleich verteilt, sondern hängt stärker auf Seiten der deutschen Autobauer.
Nach allen Einschätzungen ist damit zu rechnen, dass auch in Deutschland in absehbarer Zeit das Thema Tempolimit wieder auf die Agenda kommt. Spätestens bei einem Regierungswechsel wird das Tempolimit in Deutschland zum Tragen kommen. Die deutschen Autobauer sollten sich darauf einstellen und diskutieren, ob die Zukunft der Automobilindustrie ausschließlich in immer weiter steigenden PS-Zahlen liegen sollte.
Kein Mensch will ein leistungsschwaches Fahrzeug. Aber die Frage stellt sich, wieviel Leistung mit dem Markt und dem politischen Rahmen verträglich ist. Es geht nicht um den einen Porsche oder die eine Corvette. Das spielt in unserer Mengenbetrachtung keine Rolle. Es geht um das Durchschnittsfahrzeug. Darauf sollten wir achten. Vor vielen Jahren haben die deutschen Autobauer mit Ausnahme von Porsche sich darauf festgelegt, kein Fahrzeug mit mehr als 250 km/h auf den Markt zu bringen. Dies war eine sehr weitsichtige Entscheidung. Es wäre schön, wenn die Industrie erneut eine solche weise und weitreichende Übereinkunft träfe. Ein ungebremster PS-Trend ist für die Branche ein größeres Risiko, als sich dies der ein oder andere Automanager heute vorstellt.

Fazit: PS-Trend beobachten

In Kürze startet in Frankfurt die IAA. Es wird mit Sicherheit eine spannende Messe, die viele Impulse für den modernen Verkehr und den nachhaltigen individuellen Verkehr zeigt. Die Autobauer haben mit dem Rahmen der CO2-Vorgaben vieles an Technik realisiert, was in Frankfurt zu sehen sein wird. Auch wenn es noch verführerisch ist, sollte mit dem Trend zu Hochleistungsfahrzeugen vorsichtig umgegangen werden. Premium und Übermotorisierung ist nicht das gleiche. Premium modern zu gestalten heißt, die Balance bei der Motorisierung und den anderen Eigenschaften von Fahrzeugen wie Komfort, Sicherheit und Verbrauch zu finden.

Bilder zum Artikel:
Autorin(nen) / Autor(en):
Direktor, CAR-Center Automotive Research
Universität Duisburg-Essen