Der Tanz mit dem Drachen

Der Tanz mit dem Drachen

Jährliche Wachstumsraten von durchschnittlich neun Prozent sprechen für sich: China ist ein lukrativer Markt. Schon 2011 wird der asiatische Drache zum zweitgrößten Absatzmarkt für die deutsche Wirtschaft avancieren. Wichtigster Beschaffungsmarkt ist die Volksrepublik schon heute. Um hier wahrgenommen zu werden, ist eine funktionierende Kommunikations­ strategie unabdingbar. Die Kunst: die Strategie auf die chinesische Kultur abzustimmen. Man muss den Markt kennen und die Kultur verstehen, sich wie der Fisch im Wasser bewegen. Und es braucht ein gutes Netzwerk. Denn in China sind persönliche Beziehungen alles, gerade auch zu Journa­listen und Multiplikatoren. Rund 2000 Zeitungen, unzählbare Web­Publika­ tionen, 300 Radiosender und 200 Fernsehstationen bieten Ansprechpartner en masse. Erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit aber braucht langfristiges Engagement. Sie sollte sich nicht nur auf die Medien beschränken, sondern auch Multiplikatoren mit einbeziehen. Und noch immer spielt „die Partei“ eine wichtige Rolle, die berücksichtigt sein will: Zentrale Kommunikations­ wege sind nach wie vor durch sie geprägt.

Märkte sind Gespräche, sie verlangen nach Kommunikation. Wer sich den chinesischen Markt erschließen will, muss Produktangebot und Unternehmenssolidität kommunizieren. Er braucht Partnerschaften für Vertrieb und Service oder produziert selbst im Reich der Mitte. Gerade der Aufbau einer eigenen Produktion stellt für Unternehmen eine besondere Herausforderung dar. „Diesem Schritt muss eine genaue Analyse des jeweiligen Marktumfelds vorausgehen“, sagt Michael Fass, Geschäftsführer der Faktum GmbH, einer Heidelberger PR-Agentur, die in China aktiv ist.
Unternehmen erschließen sich mit einem Standort in China im besten Fall große Teile des asiatischen Markts. Steuerliche Nachteile, die beim Import von Produkten entstehen und eine wettbewerbsfähige Preisgestaltung erschweren, können vermieden werden. Die Entscheidung in China zu produzieren, ist daher eine strategische. Für viele global agierende Unternehmen ist der chinesische Markt schlicht zu groß, um ihn zu ignorieren. Zumal die chinesische Regierung bei ihrer Auftragsvergabe darauf achtet, wer schon im Land aktiv ist.
Auch die Heidelberger Druckmaschinen AG hat sich entschlossen, mit der Herstellung von Maschinen den Schritt nach China zu gehen. Faktum begleitete die Eröffnung des Produktionsstandorts in der Nähe Shanghais kommunikativ. Für die Heidelberger Druckmaschinen AG wurden dann in den vergangenen Jahren unterschiedliche Projekte in China realisiert. Am Anfang stand eine Medienanalyse von Fachzeitschriften für die graphische Industrie in China sowie eine weltweite Marktforschung zur Entwicklung der Packaging Industrie mit Schwerpunkt China. Thomas Fichtl, Leiter Corporate Public Relations und Pressesprecher der Heidelberger Druckmaschinen AG, über PR in China: „Man braucht einen verlässlichen Partner und direkten Ansprechpartner hier in Deutschland, um Kommunikationsmaßnahmen in China optimal zu steuern und umzusetzen.“

Wir wollten eine um­ fassende Kommunikations­ und Marketingkampagne, die neben der dauerhaften Präsenz in allen Medien auch Awareness im öffent­lichen Raum erzeugen würde. Michael Fass

Düsseldorf auf der Expo 2010: Städte werben um Investoren

Auch für Stadt- und Landesregierungen ist China längst Thema. Nicht nur deutsche Großstädte konkurrieren seit Jahren um chinesische Investitionen und Unternehmen. Zum dynamischsten Asien-Standort Europas hat sich in den letz- ten Jahren die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt Düsseldorf entwickelt. Allein 300 chinesische Unternehmen haben ihren Sitz mittlerweile in der Stadt, Ten- denz steigend. An diesen Er- folg wollte die Rheinmetropole auf der größten Expo aller Zeiten anknüpfen. Die Expo 2010 in Shanghai fand unter dem Motto „Better City, Better Life“ statt, über 73 Millionen Besucher haben sie besucht. Düsseldorf präsentierte sich der Welt mit einem eigenen Pavillon als starker internationaler Wirtschaftsstandort mit hoher Lebensqualität und trat damit in einen kommunikativen Wettstreit mit über 240 Ausstellern. Darunter über 190 Nationen, 50 internationale Organisationen und über 50 andere Städte.
Ohne professionelles Kommunikationskonzept wäre hier nichts gelaufen. Eine Kampagne in China und Deutschland sollte über den gesamten Zeitraum der Expo den Auftritt der Stadt auf der Weltausstellung begleiten. Faktum entwickelte und leitete die Kampagne mit Teams in Deutschland, Beijing und natürlich Shanghai. Den Roll-out verantwortete Faktum in Chi- na gemeinsam mit Golden Public Relations. Als Generalunternehmer agierte die Messe Düsseldorf, die selbst an mehreren Standorten in China vertreten ist.
Es galt, Düsseldorf in China als attraktiven Wirtschaftsstandort und als lohnendes Investitions- und Tourismusziel, in Deutschland dagegen, den Expo-Auftritt als konsequenten Schritt innerhalb der China-Strategie der Stadt darzustellen. Kern der Kampagne sollte der Claim werden, den Faktum entwickelt hat: „Düsseldorf. The City Experience.“ Dieser wurde nicht nur mit der Stadt abgestimmt, sondern darüber hinaus im Rahmen mehrerer Befragungen von Journalisten und anderer Multiplikatoren in China überprüft, wobei auch Tools der qualitativen Marktforschung zum Einsatz kamen.
Aktiv eingebunden in diese Umsetzungsschritte waren die chinesische Partneragentur Golden Public Relations und das Asien-Pazifik-Institut für Management (API) mit seinen Büros in Berlin und Beijing. Für die Entwicklung des Claims waren die Besonderheiten der chinesischen Sprache wichtig. Wort- und Schriftzeichenwahl sind entscheidend für die Message, Kon- notation heißt das Zauberwort. Durch den Interpretationsspielraum, den chinesische Sprache und Schrift bieten, muss die Bedeutung von Kernaussagen genau abgewogen werden, sonst sind Missverständnisse vorprogrammiert. Der Claim steht für die Dynamisierung des städtischen Zusammenlebens, die gerade auch im Miteinander unterschiedlicher Kulturen deutlich wird, und für die Kernbotschaft: Düsseldorf ist internationaler Wirtschaftsstandort mit hoher Lebensqualität. Um ihn herum entstand die Kampagne.
„Wir wollten eine umfassende Kommunikations- und Marketingkampagne, die neben der dauerhaften Präsenz in allen Medien auch Awareness im öffentlichen Raum erzeugen würde“, erklärt Michael Fass. „In Gesprächen mit der Wirtschaftsförderung der Stadt Düsseldorf haben wir die Zielgruppen exploriert und eine entsprechende Storyline entwickelt.“ Diese sollte die Standortvorteile und Vorzüge Düsseldorfs klar herausarbeiten. Prominente aus Wirtschaft, Kultur und Sport, die für die guten Beziehungen zwischen Düsseldorf und China stehen, sollten der Kampagne ihr Gesicht verleihen.
Flankiert wurde die Zielgruppenansprache durch einen Online-Newsletter, dessen umfassender Verteiler die Kernzielgruppe ansprach: Entscheider in Unternehmen und Politik in China. Darüber hinaus war anfangs eine Kooperation mit dem Circus Roncalli vorgeschlagen, die schließlich dem Budgetrahmen zum Opfer fiel: Musiker und Pantomimen sollten „Düsseldorf gebrandet“ auf Shanghais Plätzen für Emotionen sorgen und Düsseldorf in die Stadt tragen. Über der weltberühmten Fußgängerpromenade, dem Bund, sollten Fesselballons schweben, an dem Trapezkünstler die Aufmerksamkeit tausender Expo-Besucher auf Düsseldorf ziehen sollten.
Vor der Eröffnung der Expo im Mai erschienen dann Kick-off-Artikel in deutschen und chinesischen Wirtschaftsmedien. Am Tag der Eröffnung berichteten deutsche und chinesische Fernsehsender wie WDR und CCTV. Noch im Mai fand die zentrale Pressekonferenz in Shanghai statt. Oberbürgermeister Dirk Elbers erläuterte vor über 50 Vertretern der chinesischen Presse Düsseldorfs zentrales Anliegen.

Die Medienarbeit in China erfordert interkulturelle Kompetenz und Konsequenz in der Umsetzung. Michael Fass

Regelmäßige Veranstaltungen prägten den gesamten Auftritt der Stadt. So der Besuch des vormaligen Bundespräsidenten im Düsseldorfer Pavillon, der Kulturtag, an dem Düsseldorfer und chinesische Künstler einem begeisterten Publikum rheinische Kultur-High- lights präsentierten, die Architekturausstellung im Shanghai Urban Planning Exhibition Center, eröffnet vom New Yorker Architekten Daniel Libeskind, und ein Guinness-Weltrekord mit dem Düsseldorfer Tischtennisstar Timo Boll, der sich in China großer Beliebtheit erfreut. „Die Medienarbeit in China erfordert interkulturelle Kompetenz und Konsequenz in der Umsetzung“, sagt Fass, „ein zuverlässiger Partner vor Ort und die eigene Anwesenheit bei Key Events sind unerlässlich.“ Allein in China zeugen über 1000 Print-, TV- und Radioplatzierungen von der Präsenz Düsseldorfs. „Wir haben überaus positive Resonanz von chinesischen Politikern, Unternehmern, Journalisten und Multiplikatoren erfahren“, bestätigt Uwe Kerkmann, Leiter des Düsseldorfer Amts für Wirtschaftsförderung. „Der Ex-po-Auftritt und die begleitende Kommunikationskampagne haben sicher dazu geführt, Düsseldorf in China noch bekannter und für In- vestoren interessant zu machen.“

Faktum Heidelberg

Die Heidelberger PR-Agentur Faktum ist seit 1995 in China tätig, seit 2000 in Partnerschaft mit Golden Public Relations. Über die Jahre hat Faktum das Geschäft kontinuierlich ausgebaut, sich vernetzt, arbeitet in dreisprachigen Teams und beschäftigt auch am deutschen Agentursitz in Heidelberg chinesische Mitarbeiter. Als Agentur für integrierte Kommunikation setzt Faktum auf nachhaltige, strategische Ansätze und bietet seinen Kunden die ganze Bandbreite an Kommunikation und PR. Kunden von Faktum in China waren und sind die Schaeffler Group, Freudenberg, die Heidelberger Druckmaschinen AG, VW, KSB, Flowserve und andere. Ganz aktuell betreute die deutsch-chinesische Agenturkooperation den Expo-Auftritt der Stadt Düsseldorf in Shanghai.