Die Marketingwelle zur Kundenerfahrung

Die Marketingwelle zur Kundenerfahrung

Omnipräsent sind aktuelle Hinweise zur Kundenerfahrung. Offensichtlich gilt es für Unternehmen, sich näher am Kunden zu bewegen. Was aber ein Unternehmen tun kann, damit der Kunde auch kauft, ist noch nicht schlüssig beantwortet. Eine oberflächliche Diskussion täuscht und führt zu falschen Folgerungen. Marketing braucht nämlich nicht bloß zu gefallen, sondern muss Kaufhandlungen bewirken. Dazu gilt es, die Prozesse des Kunden detailliert zu erfassen und an den Hebeln in diesem Prozess anzusetzen.

Eine große Welle schwappt über das Marketing, die Kommunikation und den Vertrieb und reißt alles mit. Übergreifend wird mehr Kundenorientierung (Customer Centricity) gefordert. Schlagworte wie Kundenerfahrung (Customer Experience), Kundenreise (Customer Journey) oder Berührungspunkte (Touchpoints) treten in den Vordergrund. Mit Geschichten (Storytelling) soll eine spannende Erlebniswelt für Kunden aufgebaut werden. In der Regel werden die englischen Begriffe verwendet, sie klingen aufregender und offener. Das renommierte Marketing Science Institute setzte Kunden und die Kundenerfahrung verstehen für 2014–2016 an die erste Stelle, um Marketing zukünftig zu entwickeln (www.msi.org). In allen Fachmedien überbieten sich die Autoren euphorisch mit neuen Vorschlägen.
Diese Ansätze sind zwar nicht klar umrissen, scheinen aber die neue Generation des Marketings vorzubereiten. Die Argumente sind beispielsweise: Klassisches Marketing büßt seine Wirkung ein; die Kunden bewegen sich nicht linear zum Kauf; die Weichen zum Kauf werden oft gestellt, weit bevor die Anbieter aktiv werden; die Kunden handeln meist ohne nachzudenken; die Kunden ergreifen im Gerangel der Märkte (auch mit Social Media) selbst die Initiative und hebeln die Bemühungen der Anbieter aus; die Vielfalt an Instrumenten im Marketing steigt dramatisch. Der Aufbruch ist damit begründet. Der Weg des Kunden zum Kauf beschäftigt die Fachwelt intensiv. Nur greifen viele Folgerungen bisher zu kurz.

Falsche Interpretationen zum Kundenprozess

Der Weg des Kunden zum Kauf ist also ein Schlüssel. Manche Verantwortlichen im Marketing versuchen, den Kundenprozess zu erfassen und unterscheiden mindestens die Phasen Aufmerksamkeit, Interesse, Wunsch sowie Aktion. Sie glauben damit an den logischen Prozess des Kunden. Solche Kundenphasen sind zwar konzeptionell plausibel, aber kommen in der Realität nicht vor.
In der Landschaft des Marketings dominieren nach wie vor zahlreiche Ansätze zur Markenführung. (Laufend werden mehr Beiträge zu Marke und Internet integriert. Die Verantwortlichen monieren, dass sich die Marken in Zeiten von Social Media und höherem eigenem Engagement der Kunden längst veränderten. Von Mitmachmarken ist beispielsweise die Rede.) Aktuelle Spots im Fernsehen zeigen inzwischen für Versicherungen, Banken bis Autos ganz verschiedene, abstrakte Wohlfühlund Lebenswelten des Kunden, um anzudeuten, dass jeder Kunde seinen eigenen Weg sucht. Oft ist es kaum mehr möglich, diese Lebenswelten mit der beworbenen Leistung zu verbinden.
Trotz der Diskussion um Kundenerfahrung bleibt die Absicht gleich: Gefalle dem Kunden, um ihn auf den Weg zu einem Kauf anzuregen. Inspiration, Leidenschaft, Begeisterung und Einzigartigkeit sind verbreitete Ansprüche, abgehobene Superlative scheinen überall willkommen. Gelerntes zum Marketing verbaut den Weg für wirklich neue Lösungen.

Touchpoint-Management

Mit Analysen der Berührungspunkte – der Touchpoints – des Unternehmens wird offen gelegt, wo der Kunde dem Unternehmen begegnet und er einen Eindruck gewinnt. Es sind Berührungspunkte mit dem Produkt und den Menschen des Unternehmens; den Verkaufsräumen; Plattformen im Internet und den Verlautbarungen in den Medien.
An den Eindrücken, die dabei entstehen, sind die Vertreter der Touchpoint- und verwandten Ansätzen interessiert. Man möchte sie gestalten, damit der Kunde an jedem Berührungspunkt die Marke spürt. Das emotionale Grundgefühl soll durchdekliniert werden über alle Berührungspunkte (Schüller 2012, S. 157). Die Einzigartigkeit dieses Grundgefühls wird dabei gefordert und die Einheitlichkeit: homogen oder integriert sollen die Eindrücke sein (Bruhn/Hadwich. 2012, S. 23). Wenn BMW in der Werbung „Freude am Fahren“ verspricht, dann soll der Kunde diese Freude an jedem Touchpoint spüren. Jede Berührung zahle auf die Marke ein, heißt es im Jargon. Die emotionalen Eindrücke werden dafür meistens durch Befragung von Kunden in Erfahrung gebracht. Auch die Wichtigkeit dieser Eindrücke im Hinblick auf den Kaufentscheid soll der Kunde beantworten. Man setzt voraus, dass er das kann.

Marketing soll gefallen

Marketing kapriziert sich darauf, dem Kunden zu gefallen. Die richtigen Eindrücke sollen vermittelt werden, jene, welche man im Rahmen der Markenführung festgelegt hat. Die Hoffnung: Der Kunde begehrt dann die Produkte und Services und bewegt sich zum Kauf. Nun zeigt sich aber in der Praxis, dass hier eine Unterscheidung zu treffen ist: Eindrücke zu erzeugen, ist etwas ganz anderes, als Handlungen auszulösen und an den Kauf zu führen. Es sind unterschiedliche Maßnahmen, die je auf Eindrücke oder auf Handlungen hinwirken. Auch stehen verschiedene wissenschaftliche Disziplinen dahinter, die sich damit befassen und uns das Know-how dazu bereitstellen.

Wenn BMW in der Werbung „Freude am Fahren“ verspricht, dann soll der Kunde diese Freude an jedem Touchpoint spüren.

Dass es sich hier um zwei grundverschiedene Prozesse und Systeme handelt, zeigten uns vor Kurzem die Neurobiologen auf. Kent Berridge und sein Team, Forscher am Labor für Biopsychologie an der University of Michigan, berichten von zwei separaten Systemen im Gehirn, in denen die Prozesse relativ unabhängig voneinander verlaufen (Kringelbach/ Berridge 2010). Sie nennen das eine Liking und das andere Wanting. Im Ersteren, dem Liking-System, laufen Prozesse ab, die im Mittelhirn ihren Ausgang nehmen – Reize von außen treffen dort ein – und von hier führen neuronale Bahnen in die Großhirnrinde (Cortex), wo die eingehenden Signale die Qualität von Bewusstsein annehmen: Wir können über die Gefühle von Liking sinnieren, können uns artikulieren und anderen Menschen mitteilen.
Demgegenüber führen die Prozesse des Wanting-Systems vom Mittelhirn in die tiefer gelegenen und entwicklungsbiologisch älteren Hirnschichten. Dort treffen sie auf jene Areale, wo motorische Handlungen eingeleitet werden. Bewusstsein hat zu diesen Hirnregionen keinen Zugang – aus biologischen Gründen. Somit werden wir Menschen der in uns ablaufenden Prozesse des Wanting nicht gewahr. Wir werden von ihnen recht eigentlich überrascht, nämlich dann, wenn wir uns unvermittelt handeln sehen. Wir sind kaum in der Lage, über die in uns anlaufenden Wanting-Prozesse zu sprechen und uns darüber auszutauschen – sie geschehen einfach. Und im Nachhinein reflektiert, erscheinen sie nicht selten als irrational.
Ins Bild von diesen zwei separat verlaufenden Prozessen und Systemen passt auch die Feststellung, dass die daran beteiligten chemischen Botenstoffe unterschiedlich sind. Während man früher davon ausging, dass das Dopamin für Erregung und Gefühle des Gefallens (Liking) verantwortlich sei, weiß man heute, dass Dopamin ausschließlich die Prozesse des Wanting und des Handelns steuert. Bei den Liking-Prozessen hingegen sind Opioide im Spiel.

Die Hoffnung: Der Kunde begehrt dann die Produkte und Services und bewegt sich zum Kauf.

Gänzlich unabhängig voneinander funktionieren diese Schaltkreise allerdings nicht. Es gibt eine Verbindung zwischen den beiden Systemen. Aber überraschenderweise fließen die neuronalen Ströme rückwärts, nämlich vom Wanting-System in jenes des Liking. Das kann man sich wie folgt vorstellen. Aus dem Wanting-System fließen die Impulse, welche die Motorik in Gang setzen und ans Handeln führen. Das hat Konsequenzen. Der Mensch der handelt, tritt in der Folge in eine neue Situation ein, welche (zum Beispiel) Glücksgefühle erzeugt: eine Speise, die er zu sich nimmt und sie genießt; ein Ort, den er aufsucht und der ihn in gute Laune versetzt usw. Und diese Eindrücke – eine Folge von Handlungen – werden nun vom Liking-System bewertet: sie gefallen. Und das wiederum kann uns dieser Mensch kundtun. Die Kausalschleife führt also gewissermaßen rückwärts – hat ihren Ursprung im Wanting-System. So klar das Bild ist, das die Neurobiologen uns schildern und wir keine Mühe haben, diese Prozessverläufe zu verstehen, so widerspricht es doch unserer intuitiven Logik. Diese würde uns sagen: Was gefällt, das führt ans Handeln – Gefallen verursacht Handlung.
Dass diese intuitive Erwartung so nicht zutrifft, ist schon seit Längerem bekannt. Schon Benjamin Libet, ebenfalls ein Neurobiologe, hat nachweisen können, dass Handlungen durch unbewusste Prozesse eingeleitet werden, über die der Handelnde – aus biologischen Gründen – keine Auskunft geben kann. Und Michael Gazzaniga und Joseph Le Doux konnten schlüssig belegen, dass der Mensch die Begründungen für sein Handeln nachschiebe – sie also nicht ursächlich sein können. Auch die Sozialpsychologie hat schon vor Jahrzehnten feststellen müssen, dass zwischen der sogenannten Einstellung (attitude) und dem Verhalten (behavior) eine äußerst schwache Korrelation besteht, die zudem auf eine rückwärts fließende Kausalität zurückzuführen ist: vollzogenes Verhalten beeinflusst die Einstellung.

Begründungen des Kunden für sein Verhalten sind mit Vorsicht aufzunehmen – sie folgen den Handlungen, sind aber nicht deren Ursache.

Aus dem neuronalen Prozessgeschehen, das die Naturwissenschafter aufgedeckt haben, leitet sich etwas ab, das uns für das Marketing als höchst bedeutsam scheint: Über Liking-Prozesse kann der Kunde Auskunft geben. Er kann artikulieren, was ihm gefällt, und, wenn wir an die Marktforschung denken, kommt er dabei gerne ins Schwadronieren. Wanting-Prozesse hingegen, jene neuronalen Vorgänge, die ans Handeln führen, fließen unbewusst. Sie haben keine Stimme. Sie können sich lediglich über die Hand äußern – der Kunde greift zu –, oder über die Füße – der Kunde schreitet zum Verkaufspunkt. 

Fabulieren in Marketingabteilungen

Wenn wir die Kundensicht verlassen und uns in die Marketingabteilung der Unternehmen begeben, dann finden wir dort eine Entsprechung. Wir treffen auch hier auf eine Asymmetrie, die von Bedeutung ist: Im Marketing unterhalten wir uns praktisch ausschließlich über die Vorgänge rund um das Liking-System, das heißt, wir bewegen uns in der Welt des Artikulierbaren: Der Kunde kann sich darüber aussprechen – er teilt uns mit, was ihm gefällt. Wir Marketers glauben dann, den Kunden verstanden zu haben. Bestärkt wird unser Glaube dadurch, dass wir die Beurteilungen von Kunden und Konsumenten mit unserem eigenen Bewusstsein spiegeln: „Auch mir geht das so!“ klingt es in uns nach. Und schon fließen diese Artikulationen in unsere Konzepte ein, mit denen wir Maßnahmen des Marketings herleiten und begründen. Aber wir folgern an der Realität des Kunden vorbei: dieser nämlich handelt. Nur, die Gesetze seines Handelns verrät er uns nicht – und so werden sie nie zum Thema. Als Unternehmen verdienen wir aber das Geld an den Handlungen von Kunden. Nur Kaufhandlungen bringen uns den Umsatz.
Vom Kunden ausgesprochene Handlungsbegründungen sind mit äußerster Vorsicht aufzunehmen – sie folgen den Handlungen, aber sind nicht ursächlich für sie. Dahinter steht ein Mechanismus in unserem Gehirn, den die Neurobiologen mit dem farbigen Begriff der Fabulierinstanz versehen haben: automatisch schiebt der Mensch eine „Begründung“ für sein Handeln hinterher. Diese steht im Einklang mit seinem Selbstbild, auch bindet sie geschickt die für jedermann feststellbaren Tatsachen mit ein – aber mit den tatsächlichen Beweggründen haben sie nichts zu tun. Nur plausibel scheinen sie – und beim Zuhörer erzeugen sie eine Resonanz in dessen Selbstbild. Und so ist der Zuhörer geneigt, diese „Begründung“ zu übernehmen.
Dass auch die Manager in Unternehmen diesen Automatismen unterliegen, haben kürzlich Johannes Hattula, Sven Reinecke u.a. (2015, S. 235 ff.) nachgewiesen. Aufgefordert, gleichsam die empathische Kundenbrille aufzusetzen, haben Marketing- Führungskräfte verstärkt die ihnen „intuitiv logisch“ erscheinenden Handlungsbegründungen vertreten – und sich im gleichen Zuge von den tatsächlichen Antrieben der Kunden weiter entfernt. Die Autoren nennen das egozentrische Voraussagen.

Reale Kaufprozesse erfassen

Ansätze für Kundenreisen und Kundenerfahrung befassen sich mit den Berührungspunkten: jenen Stellen, wo Kunden und Unternehmen sich begegnen. Hier möchte man die Markenbotschaft fühlbar machen und Wohlbefinden bei den Kunden verbreiten.
Anders ist die Intention des Kaufprozess- Ansatzes. Hier geht es darum, jene Stellen aufzudecken, wo der Prozess des Kunden in Bewegung gesetzt werden kann: angestoßen, beschleunigt und auf die gewünschte Bahn geleitet. Berühren reicht nicht. Es geht darum, Handlungen anzustoßen, damit der Kunde voranschreitet, dem Kaufakt entgegen.

Was gefällt, das führt ans Handeln – Gefallen verursacht Handlung.

Wie deckt man in den Prozessen des Kunden jene Stellen auf, wo Impulse erforderlich sind und greifen? Die Kaufprozess-Analyse gibt darüber Aufschluss. Die Methode, die wir in der Praxis einsetzen, nennen wir Verhaltens-Analyse. Sie fokussiert Handlungen des Konsumenten und deckt die Auslöser auf, die eine Handlung nach sich ziehen. Oder aber die Hemmer, die sich einer Handlung entgegenstellen. Untersucht wird der gesamte Prozess, der einer Kaufhandlung vorausgeht: nicht selten nehmen diese Prozesse in der frühen Kindheit ihren Ausgang, wo der Mensch Prägungen erfährt, die heute durchschlagen auf Kauf oder Nicht-Kauf.
Die Verhaltens-Analyse beruht auf Beobachtung, wo dies möglich ist, also zum Beispiel im Ladengeschäft, am Verkaufspunkt und mittels Tracking im Internet. Die vorausgehende Prozess-Strecke, die der Beobachtung nicht zugänglich ist, wird mit einer speziellen Interviewmethode in Erfahrung gebracht, die das episodische Gedächtnis adressiert. In diesem sind frühere Ereignisse abgespeichert und zwar als räumliche Abfolge von Bildern und Emotionen, die mit diesen Bildern verknüpft sind. Die Methode ist mittlerweile in über 180 Branchen und Industrien angewendet worden und wi rd laufend weiterentwickelt (Rutschmann 2005 und 2013).
Auf einem Kaufprozess, der unter dem Gesichtspunkt von Handlungen erforscht und abgebildet wird, lassen sich Schlüsselstellen identifizieren, wo ein Unternehmen intervenieren kann. Das sind i.d.R. nur wenige Stellen, wo wir beim Kunden eine Handlungsbereitschaft antreffen, die mit gezielten Botschaften aktiviert werden kann. Oder aber durch Vorkehrungen und Maßnahmen, die man eher dem Vertrieb zuordnen kann und die im Vertriebskanal und am Verkaufspunkt ihre Wirkung entfalten. Die Ergebnisse einer Kaufprozess-Analyse sind erstaunlich robust und gestatten einem Unternehmen, knappe Marketingressourcen fokussiert einzusetzen.

Es geht im Kaufprozess-Ansatz um Dynamik.

Man sieht: Es geht im Kaufprozess- Ansatz um Dynamik. Wir sprechen deshalb nicht von Berührung, sondern von Impulsen, nämlich Impulse zum Handeln. Dass die kommunikativen Eindrücke zu einem homogenen Gesamtbild beitragen – wie das die Vertreter des Touchpoint- und des Customer-Experience-Ansatzes immer wieder betonen – steht nicht an vorderster Stelle. Ziel des Kaufprozess- Ansatzes ist vielmehr, einen Handlungsfluss zu erzeugen und den Kunden – Etappe für Etappe – ans Kaufen zu führen. Die Erfolge in der Praxis stützen diese Argumentation. 

Fazit

Wenn der Kunde etwas mag, reicht das längst nicht dazu, dass Kunden auch handeln und sich bewegen. Den Kunden zum Kauf zu führen, ist die aktuelle und gemeinsame Aufgabe von Marketing, Kommunikation und Vertrieb.
Mit dem neuen Marketing verlagern wir das Gewicht und die Budgets von der Welt des Gefallens und des Sich-Identifizierens hin zur Handlungswelt (Rutschmann/Belz 2015). Damit finden wir Anschluss an die Verhaltensforschung: die Verhaltensbiologie, die experimentelle Psychologie und die Neurowissenschaften. Sie eröffnen uns den Zugang zu Erkenntnissen, die für das Marketing neu sind und bislang wenig genutzt werden.
Gleichzeitig wird der Kunden- und Kaufprozess zum gemeinsamen Bezug für Marketing- und Vertriebsspezialisten und die vielen Instrumente stehen nicht mehr im Vordergrund. Verunsicherung und Zersplitterung werden aufgefangen, weil sich die Aufgaben im Prozess klar definieren lassen und die Verantwortlichen nicht einfach nach Einsatzmöglichkeiten für Medien und Instrumente suchen (etwa: Was machen wir in Social Media?). Auch die Budgets lassen sich nach den Kundenprozessen wirksam zuteilen. Neues Marketing verzichtet auf Marktforschung, die nur Meinungen, Befindlichkeiten und Interpretationen des Kunden abfragt. Neues Marketing konzentriert sich auf Forschung, die konkretes Verhalten und die jeweils beeinflussenden Faktoren erfasst und daraus auf das Warum schließt. Es richtet den Einfallsreichtum (der Menschen im Marketing) auf klare Stellen im Kundenprozess und stützt sich auf die Spielregeln eines verhaltensorientierten Marketings.
Nur gefälliges Marketing hat ausgedient, auch wenn es oft anzutreffen ist, weil nach wie vor beliebt in den Marketingabteilungen. Die Blickrichtung bei den Ansätzen für Kundenerfahrung, Kundenreise und Berührungspunkte ist richtig. Solange sich jedoch die Folgerungen im „Like“- oder Identifikationsmarketing bewegen, gelingt den Unternehmen kein wesentlicher Fortschritt. Lieber weniger schön, dafür aber rentabel, könnte eine Folgerung lauten.
Wäre es mindestens im Interesse des Kunden, wenn er mit Marketing unverbindlich unterhalten, statt manipuliert wird; wenn also das Marketing kaum wirkt? Das Vergnügen scheint uns begrenzt und auch der Kunde ist darauf angewiesen, dass Unternehmen effizient vorgehen.

Quellen

In einer kürzeren Fassung erschien dieser Artikel in der neuen Zürcher Zeitung (Themen und Thesen) vom 18. November 2015: Rutschmann, M./Belz, Ch.: Kunden zum Kauf führen, S. 29.

Bruhn, M./Hadwich, K. (2012): Customer Experience – eine Einführung in die theoretischen und praktischen Problemstellungen, in: Bruhn, M./Hadwich, K. (Hrsg.) (2012): Customer Experience, Wiesbaden: Gabler, S. 3–36.

Gazzaniga, M. S. (2014): Tales from Both Sides of the Brain, New York: Ecco (Harper-Collins).

Hattula, J. D./Reinecke, S. et al. (2015): Managerial Empathy Facilitates Egocentric Predictions of Consumer Preferences, in: Journal of Marketing Research, Vol. LII (April 2015), S. 235–252.

Kringelbach, Morten L.; Berridge, Kent C. (Editors) (2010): Pleasures of the brain, Oxford: Oxford University Press.

Marketing Science Institute (MSI) (2014): MSI 2014–16 Research Priorities in Marketing (www.msi.org), Cambridge (Massachusetts).

Rutschmann, M. (2005): Kaufprozesse von Kunden erkennen und lenken, Wiesbaden: Gabler.

Rutschmann, M. (2013): Abschied vom Branding, 2. Auflage, Wiesbaden: Gabler.

Rutschmann, M./Belz, Ch. (2014): Reales Marketing – Kunden zum Kauf führen, Stuttgart: Schaeffer-Poeschel.

Schüller, A.M. (2012): Touchpoints: Auf Tuchfühlung mit dem Kunden von heute, Offenbach: Gabal.

Das Institut für Marketing an der Universität St.Gallen (HSG)

Mit rund 35 Mitarbeitenden erforscht das Institut für Marketing der Universität St.Gallen (HSG) aktuelle Themen in den Bereichen Marketing-, Kommunikation- und Verkaufsmanagement. Themen wie Customer Centricity, Business-to-Business-Marketing, Account-Management, Multichannel-Management, digitales Marketing und Marketingperformance gehören dabei zu unseren Schwerpunkten (www.ifm.unisg.ch).

In aktuellen Praxisprogrammen mit Unternehmen fördern wir den Austausch zu Best Practices in Marketing, realem Kundenverhalten – realem Marketing oder den Herausforderungen einer Sales Driven Company.

Ziel des Instituts ist es, die eigene Forschung und Entwicklung mit führenden Unternehmen und Führungskräften zu verbinden. In allen Bereichen wird der Transfer zudem durch betriebsübergreifende und interne Weiterbildungen sowie die „Marketing Review St.Gallen“ (Springer Verlag) gefördert.

In der Direktion wirken mit: Prof. Dr. Sven Reinecke (Geschäftsführender Direktor), Prof. Dr. Christian Belz und Prof. Dr. Marcus Schögel.

Die Universität St.Gallen (HSG) zählt zu den führenden Wirtschaftsuniversitäten Europas und genießt weltweit einen sehr guten Ruf mit Gütesiegeln, die z.B. auch die Harvard University auszeichnen. In renommierten Rankings belegt die Universität St.Gallen (HSG) stets die vorderen Plätze und bietet die beste Management-Weiterbildung im deutschsprachigen Raum. Das Institut für Marketing trägt als Teil der Universität St.Gallen (HSG) zu diesem Erfolg in Forschung und Transfer bei.

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Autorin(nen) / Autor(en):
Lehrbeauftragter
Universität St.Gallen (HSG)
Ordinarius für Marketing des Instituts für Marketing an der Universität St. Gallen
Universität St. Gallen