Marken-Building über den Wolken

Marken-Building über den Wolken

TUIfly setzt in einem sich rasant ändernden Marktumfeld auf Qualität und Marke. Deutschlands drittgrößte Airline fliegt aus dem Billig-Flieger-Image heraus.

Machen wir uns nichts vor: Zwischenzeitlich steht fest: Der Markt für das extreme Low- Cost-Segment unter den Fluggesellschaften befindet sich im Umbruch. Steigende Kosten für den Flugbetrieb, Auswirkungen der Finanzkrise, Marktkonsolidierungen – der Boom für reinrassige Low-Cost erhält einen Dämpfer, die Realität hält Einzug. Selbst bei extrem günstigen Kostenstrukturen sind die Preise der Vergangenheit nicht mehr zu halten – ökonomischen Sachverstand vorausgesetzt. Das Potenzial für die sogenannten stimulierten Verkehre, also jene spontanen Shopping-Tripps nach Mailand, das erst dank extrem günstiger Flugpreise entstanden ist, schwächt sich ab. Unternehmen in diesem Zweig der Luftverkehrsbranche können den Trend nicht übersehen. Sie sind gezwungen, sich auf das neue Marktumfeld einzustellen. Wenn Wettervorhersagen auf dem geplanten Kurs schwere Unwetter prognostizieren, kommt ein Pilot nicht umhin, auf neuen Kurs zu gehen.
TUIfly steuert seit einem Jahr neue Koordinaten an. Mit mehreren Maßnahmen, die aufeinander aufbauen. Dazu gehören:

  • Aufwertung des Produkts
  • Neupositionierung der Marke nach außen und
    nach innen
  • Neuer Markenauftritt mit einer neuen Kampagne
  • Optimierte Media-Strategie

Die Marke steht bei all diesen Bemühungen im Mittelpunkt. In diesen Prozessen der Metamorphose messen wir der Marke eine extrem hohe Bedeutung bei. Für TUIfly ist die Marke durchaus als „Fixstern in turbulenten Zeiten“ zu sehen. Bislang geht diese Strategie auf: Wir haben in den vergangenen Monaten erfolgreich ein neues Bild der TUIfly vermittelt, das vom Markt so verstanden wird, wie wir es uns wünschen. Die operativen Zahlen am Ende dieses Jahres haben sich verbessert und zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Und schließlich freut es uns, wenn wir Lob von der Fachwelt erhalten. Im September wurde die aktuelle TUIfly-Kampagne „Willkommen an Bord“ zur „Best Marketing Campaign 2008“ der Tourismusbranche gekürt. Marketingexperten finden, dass die TUIfly-Kampagne mit „Authentizität“ statt mit Originalität überzeuge. Das hätten wir nicht besser formulieren können. „TUIfly überzeugt mit Menschen“, das ist genau das, was wir erreichen wollten, als wir die Mitarbeiter zu Hauptdarstellern und Botschaftern der eigenen Marke gemacht haben. Übrigens – damit wollen wir nicht nur nach außen, sondern auch nach innen überzeugen. Oder anders formuliert: Wir können nur nach außen überzeugen, wenn die Überzeugung von innen heraus getragen und vermittelt wird. Wie notwendig das ist, zeigt ein Blick zurück.
Der TUI-Konzern engagiert sich seit 2002 im damals stark wachsenden Segment der Low-Cost-Airlines. HLX war zu seiner Zeit die richtige Antwort auf die Anforderungen des Marktes, auch wenn das Konzept heute, gut fünf Jahre später, Vergangenheit ist. Ein Zusammenwachsen von HLX.com mit dem traditionellen Ferienfluggeschäft der TUI, der damaligen Hapag- Lloyd-Flug, war der ökonomisch folgerichtige nächste Schritt. Anfang 2007 hob die neue gemeinsame TUIfly ab. Sie vereint fortan das Beste aus beiden Welten: Die Preiswürdigkeit einer HLX und die operative Excellence einer Hapag-Lloyd-Flug mit hervorragenden Qualitätswerten und über 35 Jahren Erfahrung im deutschen Ferienfluggeschäft. Der Take-off von TUIfly konnte allerdings eine Hürde nicht überwinden: Es ist eine Marke von heute, aber die Strategie kam von gestern. TUIfly (früherer Claim: „I can fly“) wurde nach dem Start als Billig-Carrier positioniert. Es stellte sich alsbald heraus, dass diese Konzeptionierung nicht angenommen wurde. Produktwahrnehmung und Marke passten nicht zusammen, der Kunde hat das neue Marken-Gewand nicht verstanden und auch die Mitarbeiter wollten es nur zögerlich überstreifen. Es gab außerdem eine Unverträglichkeit mit dem TUIMarkenbild, das heute bekanntlich als Qualitäts- Ikone des Reisegeschäfts gilt. Kurz: Es musste was geschehen. Die Vorschläge in diesen schwierigen Zeiten reichten bis hin zur radikalen Umkehr.


Werte der Marke überzeugend transportieren

Nach meiner Überzeugung war man aber gar nicht auf dem falschen Weg. Die Marke war goldrichtig, sie wurde bislang nur nicht gelebt. Also hielten wir an TUIfly fest. TUIfly wurde vielmehr gestärkt. Wir wollten uns fortan darauf konzentrieren, die Werte dieser Marke überzeugend zu transportieren und dafür zu sorgen, dass diese Werte auch entsprechend wahrgenommen werden. Gerade zwangsläufig war es da, dass wir im Zuge dessen das Markenbild aufgewertet und die Airline höher positioniert haben. TUIfly ist kein Billig- Carrier, sondern ein „preisfairer Individualflieger“. Diese neue Wortschöpfung beschreibt die Preis-Leistungs- Bilanz dieser Fluggesellschaft im Sinne von preis-würdig und eben nicht billig. Mit TUIfly, so die Botschaft, wird der Passagier nicht nur von A nach B transportiert, sondern er erlebt Fliegen als angenehmen Teil einer Reise. Bei uns erfährt er die positive Ausstrahlung des TUI-Smile, hier reist er mit einem guten Gefühl und dafür ist er auch bereit, etwas mehr zu bezahlen. Darin und mit dem TUI-Smile unterscheiden wir uns von unseren Mitwettbewerbern – und wir sind sehr glücklich darüber, dass niemand in der Airline- Industrie den Smile hat, den besetzen wir. Unser neuer Claim „Willkommen an Bord“ unterstreicht diese Gastgeberrolle, er steht im klaren Kontrast zum „Fliegen zum Taxipreis“, dem Slogan aus seligen HLX-Zeiten.

Botschaft nach innen und nach außen: die Mitarbeiter und die Kunden in den Mittelpunkt der Kommunikation gestellt.
Wenn das Preis-/Qualitätsgefüge in Richtung Qualität verschoben wird, und die Marke höher positioniert werden soll, kommt man nicht umhin, ins Produkt zu investieren. Das haben wir an vielen Stellen und in deutlichem Umfang getan. Einige Beispiele: Bei TUIfly gibt es jetzt erstmals einen Flex-Tarif, also kostenlos umbuchbare Tickets. Wir hatten zwischenzeitlich Decken und Zeitschriften von Bord verbannt, bei der neuen TUIfly sind sie wieder selbstverständlich. TUIfly hat ein neues Cateringkonzept eingeführt, ab einer Flugdauer von drei Stunden gibt es nun wieder Essen und Trinken gratis – alleine dieses Qualitätsmerkmal schlägt mit Mehrkosten in Höhe von jährlich rund zehn Millionen Euro zu Buche. TUIfly ist heute bei geringem Übergepäck kulant, es gibt wieder eine Kinderermäßigung von 50 Prozent, und TUIfly verkauft Media- Flächen an Bord nur noch, wenn sie in Zusammenhang mit der Marke stehen. Auch sind wir bestrebt, auf unseren Flugzeugen weniger Marken- Botschaften zu vermitteln, es soll an Bord „leiser“ werden.


TUIfly als junge, freche Marke

Eine neue Positionierung will kommuniziert werden. Anfang 2008 konnten wir nach – zugegeben – intensiven Sitzungen mit dem bisherigen Agenturpartner Scholz & Friends ein Konzept entwickeln, das unseren – auch zugegeben – hohen Anforderungen entsprach.
Die neue Kampagne „Willkommen an Bord“ hat eine fast schon geniale Koinzidenz, die gleich zwei Dinge bewegt: Nicht nur die Außenkommunikation musste justiert werden, sondern es war uns auch wichtig, adäquat nach innen zu wirken: Noch war es nicht gelungen, die beiden Unternehmenskulturen der TUIfly- Bestandteile HLX und Hapagfly zu vereinen. Beide Gruppen hielten nach wie vor an ihren Identitäten fest, hinzu kamen unterschiedliche Größen und andere Schwerpunkte: Die junge HLX war gerade mal 80 Mitarbeiter stark, Hapag-Lloyd-Flug war ein Konzern mit 2400 Beschäftigten. HLX war die junge freche Marke mit verhältnismäßig großer Markenpräsenz, Hapagfly baute auf Erfahrung und traditionelle Markenwerte. Die Fusion war auf dem Papier vollzogen, in den Köpfen längst nicht. Die neue Kampagne verhalf TUIfly zu einer neuen, gemeinsamen Identität, indem sie die Mitarbeiter in den Mitttelpunkt rückte. Alle Motive sind ausnahmslos mit Mitarbeitern von Hapagfly und HLX besetzt. Das macht einerseits die Produktaussage authentisch und ehrlich, und erhöht gleichzeitig das Commitment der Mitarbeiter. Eine Kampagne – zwei Wirkungen. Hiermit konnten wir erreichen, was uns in den ersten neun Monaten versagt geblieben war: Ein neues Wir- Gefühl war entstanden. Da laufen plötzlich TUIfly- Teams beim „TUIfly-Marathon“ in Hannover begeistert mit und ein TUIfly-Blow-up am Hauptbahnhof Hannover wird zum Tagesgespräch. Das Unternehmen ist plötzlich präsent. Mit Details fördern wir unsere neue Identität: Erstmals haben alle Mitarbeiter einen einheitlichen Dienstausweis in der Hausfarbe gelb (RGBFarbwerte). Auf der Rückseite findet sich ein kleines aber wichtiges Detail. Dort binden wir die Herkunft der Mitarbeiter ein: „Our heritage: Hapagfly, Hapag- Lloyd, hlx.com.“


„Unser Kerosin heißt Herzblut“

Die neue Kampagne startete Anfang 2008 mit dem klaren Schwerpunkt Markenbildung. Aussagekräftige Headlines unterstreichen die Emotionalität der Botschaft: „Unser Kerosin heißt Herzblut“, „Wir sprechen Deutsch, Englisch und freundlich“, „Sie fliegen nicht mit einer Maschine. Sie fliegen mit uns.“ Diese Emotionalität unter dem TUI-Smile ist unsere Differenzierung und unsere Alleinstellung am Markt. Im Laufe des Jahres 2008 rückten Abverkaufsthemen in den Vordergrund der werblichen Bemühungen. TUIfly setzt seitdem auch wieder stärker auf Preiswerbung, allerdings mit einem kleinen Unterschied: Die legendären 19,99 Euro aus der ehemaligen HLX-Werbung sind passé, unser Eckpreis steht heute bei 29 Euro. Damit kommunizieren wir das neue Qualitätsversprechen hinter der Marke. Eine Preis-/ Image-Studie hatte uns bereits 2007 signalisiert, dass der Verbraucher eine Qualitätserwartung mit uns verknüpft – ein weiteres Argument für die adjustierte Preispolitik.
Ferner galt es, die neue Marken-Botschaft mit geringem Budget zu vermitteln. Wir hatten ein Drittel weniger Mittel als in den Vorjahren zur Verfügung. Das verlangt eine neue Effizienz in der Mediaplanung. Heute prüfen wir alle Marketingmaßnahmen strikter denn je auf ihre Effizienz. Das Controlling wurde gestärkt, es wird insgesamt weniger experimentiert. Was nicht heißen soll, dass TUIfly beispielsweise im Ambient-Media-Bereich nicht auch innovative Wege geht. Dazu gehört zum Beispiel eine anstehende Markenkooperation mit einer großen Consumer- Brand, oder Maßnahmen mit kleinem Aufwand aber großer Wirkung für die Marke. So haben wir beispielsweise ein Moleskine-Notizbuch im Airline-Stil aufgelegt, „airlinig“ und elegant. Das Moleskine mit dem dezenten TUIfly-Branding wird auch im Bordshop zu kaufen sein. Das schafft Wertigkeit und Identität. Damit machen wir kein Geld, damit machen wir Marke. Ein anderes Beispiel: Wir lassen derzeit eine hochwertige Armbanduhr in einer Auflage von 737 Exemplaren produzieren. Der Zeitmesser wird verkauft, ist Kosten deckend und zahlt in der Zielgruppe auf die Marke ein. Das sind kapillare Maßnahmen, sie schaffen aber Talkabouts mit entsprechender Wirkung.


Schwerpunkt auf Print und Online

Unsere grundsätzliche Mediastrategie setzt einen Schwerpunkt auf Print und Online. 2009 werden wir eventuell Bewegtbild-Formate für das Web entwickeln und damit Erfahrungen sammeln. Bei allen begrenzten Mitteln – die Marktforschung attestiert der jungen Marke TUIfly bereits gute Awareness-Werte. So liegt die ungestützte Bekanntheit von TUIfly bei 26 Prozent, gestützt sind es 80 Prozent. Diese für den kurzen Präsenz- Zeitraum respektablen Werte hat TUIfly natürlich auch der starken Mutter-Marke zu verdanken, es erreicht aber auch der junge TUIfly-Slogan „Willkommen an Bord“ hohe Recognition-Werte, knapp hinter den Claims von Lufthansa und Condor, aber deutlich vor Air Berlin und Germanwings (Quelle: TNS Infratest). TUIfly gilt nach dieser Untersuchung auch mit großem Abstand als Deutschlands Airline mit den besten Angeboten für Familien und zeigt in vielen weiteren Markenimages bessere Werte als Mitbewerber, obwohl wir mit zehn Millionen Euro weit weniger Media-Marketing-Budget als der Wettbewerb einsetzen. Die Website www.tuifly. com ist Deutschlands reichweitenstärkste Airline- Website und liegt oft auch im Vergleich mit Reiseportalen mit starker Medienpräsenz im oberen Bereich. Auch von den Gästen der TUI wurden wir unlängst als beliebteste Ferien-Airline gekürt. Diese Werte zeigen uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Um weiter unsere Resonanz am Markt präzise zu messen, machen wir neuerdings jedes Vierteljahr eine ausführliche Passagierbefragung.

TUIfly entwickelt ein stimmiges, funktionierendes Markenbild für die Airline.

Auch die aktuelle Geschäftsentwicklung signalisiert, dass der Kurs stimmt. TUIfly konnte 2008 den Durchschnittserlös pro Sitzplatz deutlich steigern, und dies bei gleichzeitiger Steigerung des Sitzladefaktors, also mehr Menschen mit unseren Maschinen fliegen. Natürlich haben auch Kapazitätsanpassungen zu dieser Entwicklung beigetragen. TUIfly fliegt heute auf Strecken, wo die Menschen eine TUIfly erwarten. Eine Strecke etwa von Hannover nach Manchester passt da einfach nicht mehr so richtig dazu. TUIfly konnte auch die Lücken im Veranstaltergeschäft schließen, die nach der Zusammenführung unbestritten zu Umsatzausfällen geführt haben. Heute verkaufen wir wieder mehr als 50 Prozent unserer Sitzplätze an Reiseveranstalter. Und der größte Kunde TUI ist mit der Neupositionierung zufrieden, denn wo TUI draufsteht ist nun auch TUI drin. Man mag sich fragen, wie diese Strategien mit Kooperations- und Übernahmeverhandlungen zu vereinen sind, die TUIfly bekanntermaßen mit mehreren anderen Airlines führt. Man muss das eine vom anderen trennen können, aber beides hat auch nicht unmittelbar etwas miteinander zu tun. Wir entwickeln gerade ein stimmiges, funktionierendes Markenbild für diese Fluggesellschaft und tragen das mit Erfolg in den Markt. Die Marke TUIfly hat einen Wert und eine Nachhaltigkeit, die wir gerade beide steigern. Im Rahmen der allgemeinen Konsolidierungsdiskussionen im Markt gab es immer wieder Stimmen, die Entwicklungen abzuwarten und dann das Markenbild zu optimieren. Wenn wir das getan hätten, wäre das für das Unternehmen fatal geworden. Auch ist es für einen Reiseveranstalter wie die TUI immer ein Wert an sich, einen starken Airline-Partner zu haben, der seinem Qualitätsniveau entspricht und der im Sinne eines durchgehenden Markenerlebnisses auch seine Markenwerte transportiert. Alles, was wir derzeit tun, eröffnet uns alle denkbaren strategischen Optionen und zahlt auf die Zukunft des Unternehmens und der Marke ein. Und schließlich gilt: Wenn man etwas tut, das gut ist, dann ist das gut – unabhängig vom momentanen Umfeld.

Autorin(nen) / Autor(en):
Geschäftsführer
Hapag-Lloyd Fluggesellschaft mbH