Fifty Shades of Sense - Sinnvolle Markenkraft

Fifty Shades of Sense - Sinnvolle Markenkraft

Menschen entscheiden sich meist intuitiv für ein Produkt, denn die wahren Kauftreiber sind die im Unterbewusstsein verborgenen impliziten Ziele. Erfolgreiche Marken sprechen diese gezielt über die Sinne an. Doch wie riecht Leistung, wie schmeckt Abenteuer, wie klingt Sicherheit? Das multisensorische Marketing gibt Antworten.

Multisensorisches Marketing ist kein Hype, es ist ein Erfolgsmodell in einer überkommunizierten Gesellschaft und jedes Unternehmen praktiziert es, teilweise ohne es zu wissen. Jede Marke, jedes Produkt sendet per se sensorische Signale, denn man kann nicht nicht multisensorisch kommunizieren. Immer mehr Unternehmen steuern mit ihrem Marketing daher bewusst die Sinne ihrer Kunden an – und das mit Erfolg: Drei Viertel aller multisensorisch kommunizierenden Marken gehören international zu den Power Brands. Letztere begeistern ihre Kunden, die als Dank in ihrem Kaufverhalten loyaler und mit ihren Entscheidungen zufriedener sind als Kunden von nicht-multisensorischen Marken. Verständlich, dass jede Marke die Kraft der Multisensorik nutzen möchte. Ein schöner Duft, eine angenehme haptische Veredelung und ein Sound-Logo – fertig ist die multisensorische Markenidentität und dem Erfolg steht nichts mehr im Weg? Ganz so einfach ist es leider nicht.

Sensorische Codes müssen die Kauftreiber ansprechen

Multisensorisches Marketing ist ein Prozess, der auf den Erkenntnissen der Hirnforschung und der Verhaltenspsychologie basiert (siehe Abb. 1). Äußerst selten entscheiden sich Menschen für ein Produkt oder eine Marke bewusst und rational. Lange Zeit galt jedoch, dass sie durch Einsicht oder explizite Überzeugung ihr Verhalten ändern. Heute wissen wir: Der Homo oeconomicus ist ausgestorben. Das Gros aller Informationen verarbeiten Menschen an der bewussten Wahrnehmung vorbei mit ihrem unterbewussten, impliziten System im Gehirn. Dieser sogenannte Autopilot verarbeitet elf Millionen Bits pro Sekunde. Dagegen verarbeitet unser Pilot, das explizite System im Gehirn, nur etwa 40 Bits in der Sekunde. Bewusst nehmen Sie beispielsweise nur drei bis vier Worte dieses Textes beim Lesen wahr, doch mithilfe Ihres Autopiloten, der die gesamte Statistik Ihrer Lese- Erfahrung gespeichert hat, können Sie dennoch den Sinn von ganzen Sätzen entschlüsseln, slesbt wnen nur der etsre siwoe der lztete Bahcstube jeeds Wrotses an der ritchgein Stlele shetet.

Ein zusätzlich kongruent angesprochener Sinneskanal erzeugt 1000 Prozent mehr Aktivität im Gehirn des Kunden.

Auf gleiche Weise entziffert der Autopilot auch andere sensorische Reize vollautomatisch. Gewicht beispielsweise aktiviert das mentale Konzept „Kompetenz“. Deshalb empfinden wir Bewerber mit identischen Qualifikationen als fähiger, wenn uns dessen Unterlagen auf einem schweren Klemmbrett in die Hand gedrückt werden. Empfangen alle Sinneskanäle – implizit wie explizit – die gleiche Botschaft, dann steigt die Werbewirkung nachhaltig, denn das menschliche Gehirn verarbeitet multisensorische Signale blitzschnell und stuft sie als relevanter sowie glaubwürdiger ein als ein-sinnige. Kongruente sensorische Signale brennen sich ins Gehirn ein und sind hochrelevant bei Kaufentscheidungen. Je mehr Sinne dabei zusammenspielen, desto besser: Ein zusätzlich kongruent angesprochener Sinneskanal erzeugt 1000 Prozent mehr Aktivität im Gehirn des Kunden. Das ist die multisensorische Verstärkung – eine wahre Wirk-Explosion.
Die Wirkung explodiert allerdings nur, wenn die sensorischen Codes relevante Kaufmotive ansprechen. Menschen kaufen Produkte, weil diese ihnen einen relevanten und funktionalen Nutzen bieten – das sind die von unserem Piloten angesteuerte Basisziele: Ein Auto beispielsweise bringt den Fahrer von einem Ort zum anderen. Mit einem expliziten Basisziel sind stets auch übergeordnete implizite Ziele verknüpft, die unbewusst die Wahl einer Marke beeinflussen – und zwar stärker als der rationale Pilot. Die impliziten Ziele, oft auch psychologische Motive oder Werte genannt, sind die wahren Kauftreiber und basieren auf grundlegenden Zielkategorien: Autonomie, Disziplin, Sicherheit, Genuss, Erregung und Abenteuer. Unterschiedliche Marken bedienen unterschiedliche Zielräume: Der nach Autonomie und Disziplin Strebende setzt sich lieber in einen Audi und vergrößert durch Technik seinen Vorsprung gegenüber dem sicherheitsund familienorientierten Volvo-Fahrer, wohingegen der von Autonomie getriebene und eher abenteuerliche Typ im BMW seine Freude am Fahren findet.

 

Sensorische Codes liegen in Resonanzfeldern

In der Vergangenheit versuchten Unternehmen, ihr psychologisches Nutzenversprechen direkt in sensorische Codes zu übersetzen. Studien enthüllten, dass beispielsweise „Leistung“ für die meisten Teilnehmer nach frisch gemahlenem Pfeffer duftet und sich nach strapazierbaren Materialien wie geschäumtem Aluminium anfühlt. Sicherheit dagegen duftet nach Maiglöckchen und fühlt sich wie eine weiche Decke an. Derartige Forschungsergebnisse helfen im Marketingalltag jedoch wenig weiter: Soll das Audi-Prospekt nun nach Kaffee duften und das von Volvo sich weich wie eine Decke anfühlen? Nein, denn abstrakte Markenwerte lassen sich nicht direkt in sensorische Codes übersetzen! Resonanzfelder sind der Schlüssel für die Übersetzung. Leistung kann beispielsweise das Resonanzfeld „Rennstrecke“ vermitteln – wir sehen sofort eingebrannte Reifenspuren auf der Fahrbahn, fühlen heißen und rauen Asphalt, riechen verbranntes Gummi und Öl, hören grölende Motoren. Doch auch ein „100-Meter-Lauf“ transportiert die Bedeutung von Leistung: Hier riechen wir Schweiß, sehen angespannte Muskeln und den Startblock, fühlen den rötlichen Schotterbelag und hören den Knall der Starter-Pistole. Welches Resonanzfeld attraktiver für die Zielgruppe und dadurch wirksamer ist, hängt von den impliziten Zielen des Kunden und seiner kulturellen Sozialisierung ab. Marken finden erst mithilfe eines geeigneten Resonanzfeldes die richtigen sensorischen Codes und können damit ihre Werbemittel sowie Produkte optimieren.

Multisensorik rechnet sich

Zugegeben: Multisensorisch optimierte Marketingaktionen sind häufig teurer als die klassischen. Ein K.O.-Kriterium? Der Kreuzfahrten-Anbieter Aida wagte, unterstützt von der Deutschen Post und dem Multisense Institut für multisensorisches Marketing, den direkten Vergleich im Dialogmarketing. Über 60 000 Menschen, die bereits eine Aida-Reise genossen hatten, erhielten ein von der Bildwelt her identisches Direct Mailing mit der Botschaft: „Kommen Sie bald wieder an Bord.“ Die Hälfte der Mailings war jedoch sensorisch optimiert: Es enthielt das typische, flauschige Aida- Handtuch im Miniformat, das nach Sonnenmilch duftete.

Richtig praktiziert, zaubert multisensorisches Marketing allen ein Lächeln ins Gesicht: den Kunden, den Marketers und den Kostenwächtern.

Das aktivierte die mentalen Konzepte „Entspannung“ und „Genuss“, denn das markante Handtuch sowie der Sonnenmilchduft sind Codes für das Resonanzfeld der süßen Momente einer Aida-Seereise. Die Investitionen in das multisensorische Mailing waren deutlich höher als die in das Standard-Mailing, da zuckt jeder Controller sofort zusammen. Ein Blick auf das Ergebnis entspannt ihn jedoch: Im Vergleich zum Standard-Mailing erzielte das multisensorische 41 Prozent mehr Response in Form konkreter Reisebuchungen und auch einen im gleichen Verhältnis höheren Deckungsbeitrag pro Stück. Unterm Strich war das multisensorische Mailing die wirtschaftlich deutlich effektivere Variante. Abseits der harten Kennzahlen zahlte es zudem auf die Marke ein und begeisterte die Mailing-Empfänger: Es weckte ihre Aufmerksamkeit und steigerte ihre Betrachtungsintensität, sie erinnerten sich an mehr inhaltliche Details des Angebotes und fanden Aida sympathischer. Richtig praktiziert, zaubert multisensorisches Marketing allen ein Lächeln ins Gesicht: den Kunden, den Marketers und den Kostenwächtern.

Lust auf mehr? Buchempfehlung „Touch!“

Drei Jahre, zwei Laptops, 609.680 Zeichen, ein Hektoliter Kaffee, 156 Studien sowie rund 500 Telefonate und Interviews mit den führenden Agenturen, Wissenschaftlern und Marketingexperten der Welt: Das sind die Zutaten von „Touch!“ – der ersten umfassenden Wirkungsbeschreibung der Haptik im multisensorischen Marketing. Mit „Touch!“ begreifen Sie Marketing neu. Sie lernen, wie stark der Tastsinn unbewusst unsere Wahrnehmung beeinflusst und wie essenziell die Haptik für Ihren Marketingerfolg ist. „Touch!“ sorgt mit aktuellen Erkenntnissen der Neurowissenschaften, der Psychologie und Wahrnehmungsforschung für „Aha“-Erlebnisse, erklärt das große Potenzial multisensorischen Marketings und macht es systematisch anwendbar. Aus den neuropsychologischen Grundlagen der Haptik entwickeln die Autoren Olaf Hartmann und Sebastian Haupt das praktische ARIVA-Modell und belegen dessen Wirk-Dimensionen von Attention (Aufmerksamkeit), Recall (Erinnerung), Integrity (Glaubwürdigkeit), Value (Wertschätzung) und Action (Kaufbereitschaft) anhand einer Vielzahl an Beispielen. Konkrete Anwendungstipps für die haptische Gestaltung insbesondere von Verpackungen und Werbemitteln, Messen, aber auch von Mobile Media, Fernseh- und Printwerbung machen das Buch zu einem praktischen Arbeitsinstrument für alle, die professionell mit Design, Marketing, Werbung und Verkauf zu tun haben. „Touch!“ ist 2014 im Haufe-Verlag erschienen und kostet 39,95 Euro; ISBN: 3648055097.

Bilder zum Artikel:
Autorin(nen) / Autor(en):
Leiter Beratung
Multisense Institut für multisensorisches Marketing
Geschäftsführender Gesellschafter
Multisense Institut für multisensorisches Marketing