Turbulente Zeiten für Marketingmacher

Turbulente Zeiten für Marketingmacher

Klassische Tools zeigen kaum noch Wirkung und werden zu teueren Auslaufmodellen. Neue mediale Angebote befinden sich in einer permanenten Berg- und Talfahrt. Was heute noch hype ist, wird von den Nutzern schon morgen konsequent abgehakt. Twitter bricht ein, MySpace schwächelt, StudiVZ stagniert und bei Second Life wird allenfalls noch der Tod der Avatare betrauert oder die Ruinen virtueller Geschäftsstellen der Automobilwirtschaft besichtigt. Allein im Social-Media-Bereich rennt inzwischen schon jede Woche eine neue Sau durchs Dorf. Was allein hier an guten Budget-Euros bislang versenkt wurde, hat bislang noch niemand gezählt.

Marketing ist zu einem Orientierungsproblem geworden, das alle Koordinaten bisheriger Erfolgswege durcheinander wirbeln lässt. Folge: Gerade mutige und innovative Entscheider fallen immer häufiger auf gut inszenierte Online-Phantasien herein. Als Alibi dient dabei immer noch ganz gut die Markenorientierung in Richtung junger Communities. Einverstanden! Dass Social- Media-Modelle grundsätzlich an Bedeutung gewinnen, steht außer Frage. Aber als künftiges Werbemedium werden sie gnadenlos überschätzt.
Als feste Burg gilt nunmehr das Mobil-Marketing mit all seinen Zaubermaschinen – den Smart-Phones, E-Riders und iPads. Letztere gelten seit Ostern als neue Wunderdroge für kränkelnde Verlagshäuser und gestresste Marketingstrategen. Technik und Lösungsmöglichkeiten der neuen Systeme sind sicherlich phänomenal, aber die entscheidenden Fragen für Marketiers sind doch: Wann erreichen iPad & Co eine akzeptable Marktdurchdringung, welche Zielgruppen können sich solche Geräte überhaupt leisten, bzw. wann schmeißen die Chinesen den Riemen für ihre Massenproduktion an und drücken den Preis auf Young-Buyer- Niveau? Viele Fragen und noch wenig Antworten.
Unbestritten ist: Das mobile Internet steht vor einem flächendeckenden Durchbruch und wird die Marketingwelt weiterhin nachhaltig verändern. Allein im Apple- Store gibt es rund um iPhone und iPad schon mehr als 100 000 sogenannter Apps – Content-Anwendungen über alle Lebensbedürfnisse hinweg. Ein tolles Angebot, aber kaum ein Mensch blickt mehr durch.
E-Commerce-Betreiber und Online-Händler beklagen zunehmend, dass ihnen im unüberschaubar gewachsenen Angebotsdschungel die Aufmerksamkeit im Push-Prozess fehlt. In einem explodierenden Medienmarkt kommt es aber genau darauf an. Das Problem ist, dass viele Marketiers die unterschiedlichen Medienkanäle noch immer als Parallelwelten verstehen, die sich gegenseitig ausschließen und konkurrieren. Entscheidend für den heutigen Marketingerfolg ist jedoch eine effiziente Orchestrierung aller neuen und alten Werkzeuge zu einem schlagkräftigen Gesamtangebot.
Innerhalb einer effizienten Marketingkommunikation hat jeder Medienkanal – von Print-, über Online- bis zu Mobillösungen – seine Bedeutung und seinen Platz. Die Zeiten der One-Way-Kommunikation sind vorbei und der Kunde will nicht mehr nach der Methode „Friss Vogel oder stirb“ bedient werden. Er will selbst entscheiden, über welchen Medienkanal er wie, wann und von wo mit einem Unternehmen kommuniziert. Dies im Kern zu akzeptieren, darin liegt eines der Geheimnisse des künftigen Marketingerfolgs.
Während sich Online-Angebote zunehmend im Internet-Kosmos verlieren, verpasst vor allem Print derzeit ganz eindeutig die Chance, sich als Orientierungsmedium und Navigationsplattform sinnvoll in neue Digitalwelten einzupassen. Dabei erlauben bereits aktuelle Mobillösungen in den meisten Smart-Phones über die dort eingesetzte Erkennungssoftware eine direkte Verbindung aus Printprodukten in das Online- Format, sodass ein Bestellvorgang ohne Umwege sofort ausgelöst werden kann. Print – mit den richtigen Code- Systemen verknüpft – wird so zu einer Push-Maschine, über die sich der Produkt-Abverkauf im Internet kräftig ankurbeln lässt – zu besichtigen unter anderem in dem DHL-Kundenmedium „Mein Paket“.
Vieles wäre für die Unternehmen sicherlich einfacher, wenn es passende Marketing-Dienstleister gäbe, die es verstehen, die Lücken zwischen den wichtigen Medienkanäle mit technischem Verständnis, kreativen Lösungen und gleichzeitig hoher Content-Qualität zu füllen. Für jedes dieser Felder gibt es Spezialisten, die sich jedoch auf ihre Weise meist völlig einseitig orientieren und auf dem Niveau von Manufakturen bayerischer Fleckerltepiche operieren. Funktionierende Integrationslösungen finden sich heute allenfalls bei etablierten Corporate-Publishing-Anbietern. Bislang in einem Nischenmarkt zwischen Verlagsgeschäft, Marketing, PR und Werbung manchmal etwas belächelt – haben diese bei kreativen Lösungen über alle Medienkanäle hinweg inzwischen die Nase vorn.
Man muss kein Schamane sein, um die derzeitigen Entwicklungen medialer Märkte zu skizzieren. Fest steht, Marketingstrategien, die sich allein über Printanzeigen, TV-Spots, Bannerwerbung oder Massen- Mails definieren, werden scheitern. Marketing wird zu einem unkalkulierbaren Try-and-Error-Spiel. Wichtigste Regel in diesem Szenario: Wer jetzt nur abwartet, was die anderen machen, dabei auf die Budgetbremse tritt und seine Marketingstrategien den Kostenkommissaren überlässt, wird sich mit seinem Unternehmen ins Nirwana der Bedeutungslosigkeit bewegen.

Autorin(nen) / Autor(en):
Präsident
Forum Corporate Publishing; EICP – European Institut for Corporate Publishing