Zwischen Kontrollverlust und Relevanzverlust

Zwischen Kontrollverlust und Relevanzverlust

Die Lufthansa informierte die wegen der Aschewolke auf den Flughäfen gestrandeten Passagiere via Twitter. . Die Daimler AG rekrutiert über den Kurzmitteilungsdienst Nachwuchskräfte (http://twitter.com/daimler_career) (www.twitter.com/lufthansa_de) Armaturenhersteller Grohe zählt auf seinen Facebook-Seiten gut 20 000 Fans, die begeistert über farbige Duschköpfe posten (http://www.facebook.com/GROHE.Duschen). Und Jacobs Krönung richtet ein Web-Café ein (www.beiunszuhause.de), in dem sich Frauen u.a. die Frage stellen „Redet Dein Mann auch nur zehn Minuten am Tag?“

Die Zahl der Unternehmen und Marken wächst, die derzeit Aktivitäten im Web starten, die meist unter dem Stichwort Social Media zusammengefasst werden. Gängiger Standard freilich ist das Engagement im dialogischen Web noch lange nicht. Nach einer aktuellen und repräsentativen Umfrage von newsaktuell hat gerade erst ein Drittel der Unternehmen eine Strategie für Social Media entwickelt. Rund die Hälfte der Unternehmens-Pressestellen arbeitet zur Zeit an einer solchen.

Dass Social Media ein wichtiges Thema ist, bestätigen knapp zwei Drittel der Firmen. Dass es noch in den Anfängen steckt, belegt der Fakt, dass gerade mal drei von zehn Firmen in diesem Jahr Budget dafür eingeplant haben. Viele Firmen tun sich schwer mit dem Einstieg ins dialogische Web. Sie schwanken zwischen zwei Grundängsten:

1. Kontrollverlust:
Wer sich als Unternehmen oder Marke im Web mit Nutzern, Interessenten und Konsumenten unterhält, muss mit kontroversen Meinungen oder im schlimmsten Fall auch Beschimpfungen und Gegen- Kampagnen rechnen. Social Media ist manchmal alles andere als sozial. Marken, die sich als „Broad- E-Journal caster“ verstehen, also mehr oder minder marketinggefärbte Botschaften verbreiten wollen, werden im Mitmach-Web nicht glücklich. Wer den Dialog im Web ernsthaft führen will, gibt damit einen Teil der Kontrolle über seine Marke an das Web ab.

2. Relevanzverlust:
Über Unternehmen oder Marken, die den Dialog im Web nicht führen können (aus Kapazitätsgründen) oder wollen (aus grundsätzlichen Erwägungen), wird im Web auch selten (gut) geredet. Sie müssen nicht nur bei jungen Menschen, sondern auch bei wichtigen Multiplikatoren mit einem Verlust von Relevanz rechnen. Je nach Branche und Produkt kann die Abstinenz im Web deshalb sogar ein entscheidender Wettbewerbsnachteil sein.

Bei diesem nicht einfachen Spagat zwischen Kontrollverlust und Relevanzverlust neigen viele Marken dazu, (zu) lange zu evaluieren, bevor sie starten. Sicher ist es grundlegend, eine Strategie für das Mitmach-Web zu entwickeln. Allerdings bedeutet Social Media auch, stetig neu dazu zu lernen. Im Web ändern sich Prozesse und Grundlagen des Öfteren mal – und das nicht im Rhythmus von Geschäftsjahren. Deshalb empfiehlt es sich, mit kleineren Projekten zu starten, zu lernen und dann gegebenenfalls die Aktivitäten auszubauen.
Sollten Sie zu den Marken gehören, die gerade über ihren Einstieg in Social Media nachdenken, hier eine kurze Checkliste:

✓ Seien Sie selbstkritisch! Hat Ihr Unternehmen oder Ihre Marke genügend Faszination und Ausstrahlung, um die Menschen im Web langfristig zu erreichen? Falls Sie ein Low-Interest-Produkt haben: Können und wollen Sie Inhalte produzieren, die attraktiv genug für das Web sind?

✓ Überprüfen Sie, ob Ihre Marke und Ihre Firmenkultur für Social Media geeignet ist! Hierarchisch geprägte Unternehmen mit langen Freigabeprozessen und ausgeprägten Abteilungsegoismen sind eher ungeeignet. Social Media benötigt schnelle Entscheidungswege, flache Hierarchien, abteilungsübergreifende Zusammenarbeit und eine offene und transparente Diskussionskultur.

Setzen Sie auf eine gemischte Lösung! Haben Sie intern genügend Know-how? In vielen Fällen ist das nicht der Fall. Holen Sie sich deshalb anfangs externe Unterstützung durch einen Social- Media-Spezialisten. Wollen Sie langfristig ins dialogische Web einsteigen, benötigen Sie unbedingt interne Ressourcen.

Entscheiden Sie, wie Sie Social-Media-Aktivitäten in Ihre Organisationsstruktur einbinden (Abteilungszuordnung, Kompetenzen, Reporting, Budget etc.). Gibt es die Funktion eines „Social-Media- Managers“, der das Thema in Ihrem Unternehmen treiben soll? Oder gibt es Social-Media-Beauftragte in unterschiedlichen Abteilungen (Marketing, Unternehmenskommunikation, Human Resources etc.), die sich in einem Gremium absprechen? Entscheiden Sie, welche Personen Ihr/e Gesicht/er im Web sein sollen.

Entwickeln Sie eine Strategie für den Dialog im Web! Was wollen Sie wirklich mit Ihrer Social-Media- Präsenz erreichen? Und welche Kanäle im Web sind dafür geeignet? Ganz wichtig: Social Media kostet Zeit. Planen Sie realistische Ressourcen dafür ein.

Legen Sie die Kompetenzen und den Rahmen für Social-Media-Aktivitäten fest (z.B. durch eine Social- Media-Policy). Innerhalb dieser Regeln müssen sich die twitternden, bloggenden und Communities managenden Mitarbeiter selbstständig und ohne langen Absprachen bewegen dürfen.

Definieren Sie Mehrwerte für die Kanäle, die den Namen auch wirklich verdienen: Ein Gewinnspiel auf Facebook und belanglose News via Twitter reichen auf Dauer nicht. Je erfolgreicher Social Media bei den Nutzern wird, desto besser müssen die Ideen und Inhalte sein, um die Aufmerksamkeit der Web-Gemeinde zu erhalten. Erfolgreiche Social-Media-Teams arbeiten wie Redaktionen und setzen immer wieder gezielt Impulse.

Facebook, Twitter & Co diktieren die Regeln: Marken, die den Schritt auf Facebook & Co. wagen, müssen sich bewusst sein, dass dort andere die Regeln diktieren: Zum einen die Nutzer, die plumpe Werbung missachten, und zum anderen die Plattformbetreiber selbst, die mit einfachen Änderungen der AGBs mal eben die Arbeit von Monaten ad absurdum führen können. Machen Sie sich nicht komplett abhängig von einer Plattform, deren Regeln Sie nicht beeinflussen können.

Social-Media-Kommunikation im Web ist viel mehr als Text. Denken und planen Sie immer mehr auch in (bewegten) Bildern. Aggregieren Sie Ihre Inhalte für das dialogische Web in einem sogenannten Social-Media-Newsroom. Er bündelt Ihre Texte, Bilder, Videos und verlinkt auf all Ihre offiziellen Web-Präsenzen außerhalb des Newsrooms. Außerdem verbessern Twitter, Facebook, Newsroom & Co. die Auffindbarkeit Ihrer offiziellen Firmeninformationen in den Suchmaschinen.

Social-Media-Monitoring: Klären Sie im Vorfeld, welche Parameter für den „messbaren“ Erfolg Ihrer Aktivitäten zentral sind! Und legen Sie fest, wie oft diese zur Erfolgskontrolle erhoben werden! Wählen Sie ein Werkzeug für Social-Media-Monitoring aus, das weitgehend automatisiert die von Ihnen definierten Parameter erheben kann.

Seien Sie sich bewusst, dass Social Media vieles verändern kann: Ihre Produkte, aber auch Ihre Unternehmensstruktur.

Schon jetzt zeigt sich, dass besonders solche Unternehmen und Marken sich erfolgreich in Social Media bewegen, die den Netzwerk-Gedanken leben. Also: Die Nutzer teilhaben lassen, sie ernst nehmen und ihnen wirklich Mehrwert bieten. Ganz entscheidend für den Erfolg ist es, alle Aktivitäten (im Netz und außerhalb) bestmöglichst zu vernetzen. Social-Media-Champions setzen auf Connected Media.

Autorin(nen) / Autor(en):
Geschäftsführer
cocodibu GmbH