China – Positive Awareness im Reich der Mitte

China – Positive Awareness im Reich der Mitte

Interview mit Gerd Kielburger, Director International Business & Strategy der Vogel Communications Group Würzburg.

China galt lange als der Boom-Markt und Wachstumsmotor der exportorientierten deutschen Industrie schlechthin. In den vergangenen Jahrzehnten des Booms und wirtschaftlichen Aufstiegs haben sich in der Volksrepublik mehr als 5000 deutsche Unternehmen enga- giert – sei es mit Forschung, Produktion oder Vertrieb. Inzwischen wird das Reich der Mitte hierzulande kontroverser betrachtet. Spätestens seit den von der europäischen Politik und deutschen Regierung angeschobenen Diskussionen, China nicht nur als Kooperationspartner, sondern auch als Wettbewerber und Systemrivale zu sehen, stehen auch Forderungen nach Decoupling oder Derisking im Raum. Vor welchen Herausforderungen stehen deutsche Marketing-Kommunikationsabteilungen heute in China?

Herr Kielburger, Sie ent­ wickeln und steuern seit Jahrzehnten im Interesse von Unternehmen aus dem D/A/CH­Raum Kommuni­kationskampagnen in China. Was genau ist ihr Kerngeschäft?
Auf den Punkt gebracht, sehen wir uns als wichtige Brückenbauer in der B-to-B-Kommunikation in den jeweiligen Fachzielgruppen und werbetreibenden Industrieunternehmen – und das schließt auch die Volksrepublik China ein. Getreu unserem Claim „Wir machen unsere Kunden mit Fachkommunikation erfolgreicher – national und international“ bietet unser chinesisches Joint Venture in den von uns adressierten Märkten alle verfügbaren Fachmedienkanäle von Print über Digital, Social Media, Fachkonferenzen mit begleitender Ausstellung, Messe- und Videopromotion sowie Services wie Marktforschung, etc. Das alles zahlt darauf ein, die Bekanntheit unserer Kunden in China zu verbessern, Reichweiten zu erzielen oder auch Lead-Generierung zu betreiben.

Wir machen unsere Kunden mit Fachkommunikation erfolgreicher – national und international.

Seit fast zwei Jahren bieten wir darüber hinaus auch in China digitale Agenturservices in allen Facetten und für alle Kommunikationsformate und -tools an. Als Multichannel-Publisher informieren wir mit anerkannten Fachmedien in den Branchen Aerospace, Automotive, Automatisierung, Biotechnologie, Chemie, Pharma, Labor, Logistik und Maschinenbau und erreichen tagtäglich Hunderttausende lokale Experten, Fachkräfte und Entscheider unterschiedlichster Management-Level – von Forschung und Entwicklung über Planung und Konzeption, Bau- und Montage, Betrieb und Produktion sowie Wartung und Instandhaltung. Unsere Challenge besteht darin, mit und für unsere Kunden immer wieder innovative Ansätze und Strategien zu entwickeln, um den sich ständig verändernden Bedürfnissen am chinesischen Markt gerecht zu werden.

Seit wann sind Sie in China aktiv?
Inzwischen seit fast 30 Jahren. Das Unternehmen Beijing Jigong Vogel Media Advertising Co. Ltd. mit seinen fast 100 Mitarbeiter*innen ist ein Joint Venture zwi- schen der China Machine Press mit Sitz in Beijing und der Vogel Communications Group Würzburg. Die jahrzehntelange Zusammenarbeit zwischen den beiden Unternehmen ermöglichte es, das Fachwissen und die Erfahrung der Vogel Communications Group mit dem lokalen Marktverständnis in China und den Ressourcen des Joint-Venture-Partners zu kombinieren.

Sprich, Sie sind für Kunden, die in den chine­sischen Markt eintreten wollen oder die als Player auf dem chinesischen Markt ihre Awareness erhöhen möchten, ein strategischer Partner?
Strategischer und operativer Partner. Über das Publishing-Business hinaus bieten wir mit den internationalen Kompetenzen der Agentur eviom, die inzwischen Teil unseres Vogel-Agentur-Netzwerkes ist, das komplette Spektrum der digitalen Servicedienstleistungen auch für China. Das ist ein echtes Pfund. Mit unseren interkulturellen Teams und Skills verstehen wir immer auch die Bedürfnisse und Positionen beider Kulturen und versuchen, die beste Lösung für den Kunden zu bieten. Aber selbstverständlich gilt das immer auch in die andere Richtung, nämlich, wenn sich chinesische Unternehmen für den deutschen oder europäischen Markt interessieren.

Wenn ein Unter­nehmen konkrete Chancen auf dem chinesischen Markt sieht und den Markteintritt plant, wie gehen Sie vor?
Da jedes Unternehmen seine eigenen Voraussetzungen und spezifischen Bedürfnisse hat, ist es immer sinnvoll, mit einer Analyse zu beginnen. Dafür eignet sich ein gemeinsam mit dem Kunden gestalteter Workshop zur Erstellung einer initialen China-Business-Strategie. Aufgearbeitet werden in dieser auch Fragestellungen nach den Wettbewerbern, welche Kommunikationstools die verwenden und so weiter. So lassen sich der Markteintritt und die Produkteinführung von vornherein optimieren. Dann unterstützen wir unsere Partner in China mit allem, was erfolgreiches digitales Marketing entlang der Customer-Journey im chinesischen Markt heute ausmacht. Dafür haben wir uns über die Jahre ein großes Know-how mit kompetenten Netzwerkpartnern aufgebaut. Mit unserem Portfolio decken wir (fast) alle Aspekte ab, die unsere Kunden in China benötigen.

Die Digitalisierung ist in China schon weit fort­ geschritten. Was für Konsequenzen hat das?
Chinesen sind sehr affin für Innovationen und wollen immer die neuesten, modernsten und besten Technologien und Tools. Die meisten Fachzielgruppen, die wir adressieren, nutzen Mobile Devices – auch für ihre berufliche Fachkommunikation. Kommuniziert wird in China kaum mehr über die klassische E-Mail, sondern vielmehr über Social-Media-Kanäle wie We-Chat. Diese All-In-One-App nutzen in China übrigens rund 1,3 Milliarden Menschen sowohl privat als auch beruflich. WeChat ist quasi Facebook, Twitter, Instagram, WhatsApp, usw. in einem und ermöglicht zudem auch noch das komplette Payment. Kurzum, ohne WeChat läuft in China gar nichts.

Was bedeutet das für Ihren Ansatz?
Unsere Expertise besteht beispielsweise darin, unseren Kunden aus dem D/A/CH-Raum einen WeChat-Account aufzubauen und im Kundenauftrag mit bewährten Serviceleistungen effizient zu betreiben. Denn viele Unternehmen in China verzichten inzwischen ganz auf eigene Websites und bauen nur auf ihre Präsenz bei WeChat inklusive Miniprogrammen für direkte Vermarktung oder E-Commerce etc. Viele Mittelständler aus dem D/A/CH-Raum, die über keine eigenen oder nur begrenzte Marketingkapazitäten vor Ort verfügen, fragen uns nach solchen Dienstleistungen. Mit unserem interkulturellen Team übernehmen wir diese Aufgaben zusammen mit entsprechenden Performance-Reports.

Was läuft in China im Ver­ gleich zu Europa anders?
Fakt ist, dass die Kommunikations-Landscape in China völlig anders aussieht, als wir es in Europa oder anderen Regionen der Welt kennen. Alle uns hier bekannten Programme, Tools und Plattformen sind in China nicht verfügbar und haben stattdessen lokalisierte Pendants. Das heißt: Facebook, Twitter, LinkedIn, YouTube, Google und Co. gibt es nicht. China hat seine eigenen und staatlich kontrollierten Kanäle. Und die müssen natürlich bedient und bespielt werden, um die Brand-Awareness zu stärken und sich gegenüber dem immer größer werdenden lokalen Wettbewerb zu positionieren. Eine echte Herausforderung für einen Mittelständler aus dem D/A/CH-Raum, der in China Präsenz zeigen will. Da kann eine chinesisch-sprachige aber in Europa gehostete Website sicher nur ein suboptimaler Zwischenschritt sein.

Warum?
Bedingt durch die chinesische Firewall sind die Ladezeiten unverhältnismäßig lang und das chinesische Google-Pendant Baidu, findet die im Ausland gehosteten Seiten nicht oder indiziert sie wesentlich schlechter als inländische Webpräsenzen. In China gehostete Webseiten performen daher deutlich besser. Wer das nicht will oder kann, dem bieten wir natürlich weitere Optimierungsmöglichkeiten an. Natürlich immer auch alternative Werbeformate über unsere eigenen Fachmedienkanäle, -formate oder Services.

Welche Mentalität herrscht im Business in China vor?
China hat in den vergangenen Jahrzehnten ein völlig neues Selbstverständnis und Selbstbewusstsein entwickelt. Der Aufstieg zur Wirtschaftsmacht führte zu einem ausgesprochen selbstbewussten Wettbewerbsverhalten. Die Volksrepublik kennt ihre Bedeutung für die westliche Welt und das sowohl als Import- wie als Exportmarkt. Deshalb gibt das Land schlicht und ergreifend seine eigenen Spielregeln vor. Die auf mehr Unabhängigkeit ausgerichtete China-2025-Strategie war und ist Ausdruck dieses gewachsenen Selbstbewusstseins. Dennoch werben Provinzen und staatliche Industrieparks nach wie vor westliche Ansiedlungen ein. Ob allerdings die großen Wachstumszahlen der Vor-Corona-Zeit zurückkehren, ist fraglich – zumal das Inlandswachstum aufgrund der Immobilienblase und deren Folgen geschwächt ist. Vor dem Hintergrund zeigen chinesische Unternehmen zunehmend Interesse auch am europäischen Markt, suchen Partner, Distributoren oder wollen in Europa eine Produktionsstätte aufbauen. Das bietet nach wie vor reichlich Raum für Kooperationsmodelle aller Art. Dafür sollte man die Dos and Don’ts bzw. die Umgangsformen bei Geschäftsterminen kennen. Das „Gesicht wahren“ ist bei chinesischen Geschäftsbeziehungen besonders wichtig und für westliche Geschäftspartner nicht selten eine Herausforderung.

Was ist bei der Kommuni­ kation mit Menschen in China zu beachten?
China hat eine einzigartige kulturelle Dynamik. Höflichkeit und kulturelle Sensibilität sind in der Geschäftskommunikation von großer Bedeutung. China ist ein Land der hohen Geschwindigkeit. Menschen erwarten prompte Antworten – vor allem in der digitalen Kommunikation. Wer nicht in kürzester Zeit seinen Interessenten kontaktet, verliert an Vertrauen. Chinesen schauen permanent auf ihr Mobile Device und sind extrem an Hightech und Qualität interessiert. Sie wollen trotz Preissensibilität grundsätzlich nur das Neueste und das Beste. Deutsche Technologieführer finden in China also mit Sicherheit passende Ansprechpartner. Chinesen informieren sich insbesondere in der Frühe und am Abend vor allem über WeChat – eben auf dem Weg zur und von der Arbeit. WeChat ist nicht nur eine Messaging-App, sondern auch ein umfassendes Kommunikations- und Marketinginstrument. Es ist wichtig, diese Plattform effektiv zu nutzen, um Geschäftsbeziehungen aufzubauen. Fakt ist auch, dass Chinesen immer stärker Bewegtbildformate nutzen. Deshalb sind wir mit unseren Videoteams beispielsweise in Deutschland auf Messen unterwegs und produzieren quasi über Nacht moderne Messevideos, die dann unmittelbar in China ausgespielt werden. Dadurch erreichen unsere Kunden große Reichweiten und starke Brand-Awareness. Das kommt sehr gut an. Geschäftsbeziehungen werden oft auf langfristiger Basis aufgebaut. Es ist wichtig, Geduld zu haben und Zeit in den Aufbau von Vertrauen zu investieren. Auch das Verhandlungsgeschick ist entscheidend. Chinesische Geschäftspartner schätzen oft Geschäftspartner, die flexibel sind und bereit sind, Kompromisse einzugehen.

China ist als Markt einfach zu groß, um bei der dynamischen Entwicklung nicht dabei zu sein.

Ihr Fazit?
Wer den chinesischen Markt bearbeiten will, muss sich an die Spielregeln halten und tut gut daran, mit Kommunikationsprofis zu arbeiten. China ist als Markt einfach zu groß, um bei der dynamischen Entwicklung nicht dabei zu sein. Chinas Geschäftsumfeld ist kulturell geprägt. Ein tiefes Verständnis für die chinesische Kultur, Werte und Geschäftspraktiken ist entscheidend. Dies schließt auch die Kenntnis von Feiertagen, Traditionen und Etikette ein. Wenn man diese speziellen Skills und Kapazitäten für den wichtigen Markt nicht im eigenen Unternehmen hat, stehen dafür interkulturelle Partner und Dienstleister wie wir natürlich gerne zur Seite. Unsere Kombination von Fachmedien- und Agenturkompetenz kann für China schon sehr viele Vorteile bieten.

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Director International Business & Strategy
Vogel Communications Group Würzburg