Lass Influencer sprechen

Lass Influencer sprechen

Social Media Gar nicht so einfach, für das Social Web und die Ansprache junger Zielgruppen Inhalte zu schaffen, die wirklich ankommen. Eine Lösung könnte sein, sogenannte Influencerinnen und Influencer dafür anzuheuern. Der Case Thermos zeigt, wie Unternehmen davon profitieren.

Eine spontane Trinkpause an einem schönen Fleck: Der Mann, der sich im Sonnenuntergang zurücklehnt und die Thermos Ultralight ansetzt, heißt Tom – mit vollem Namen Thomas Taller. Und die Fotografin ist Laura Schütze. Beide betreiben den Instagram-Kanal nomadsandrebels. Das Bild von Tom im Sonnenuntergang hat allerdings Thermos Deutschland auf seinem Instagram-Kanal gepostet. Und der Hersteller aus Wertheim verwendet es auch für Werbeanzeigen oder als Titelbild für Kataloge. Auch mit anderen Influencern wie Paula Saalfeld aka plantifultaste oder Lai-Chun Cheung (auf Instagram Syringalotus) und einigen mehr arbeitet Thermos zusammen. In einem neuen Format: Sie erstellen vor allem Inhalte, die der Hersteller auf eigenen Kanälen postet.
Influencerinnen und Influencer als Content-Creatoren? Das ist ein Trend, der schon bald um sich greifen könnte. Marken wie Thermos haben die kreative Power der Multiplikatoren erkannt: Sie lassen ihnen nicht vorproduzierte Bilder, Videos, Texte etc. zukommen, sondern geben ihnen die Möglichkeit, selbst kreativ zu werden. Simon Berg, Mitbegründer und Kreativchef von Electric Elephant Publishing, hat das Konzept für Thermos entwickelt. Er erklärt den Ansatz so: „Der Unterschied zwischen Produktplatzierung und Influencer- Content-Creation liegt in erster Linie darin, dass der Influencer bei einer Platzierung Inhalte mit den Produkten für seine eigenen Channels produziert und bei der Influencer-Content- Creation Inhalte für die Channels der Marke.“ Thermos spannt also Influencerinnen und Influencer ein, um Inhalte auf dem eigenen Instagram-Kanal zu posten oder für andere Werbeträger einzusetzen. Diese Strategie bringt Werbetreibenden einige Vorteile – vorausgesetzt, es ist richtig gemacht.

User mögen Inhalte von Usern

Der sogenannte User-Generated- Content (UCG) – und um nichts anderes handelt es sich dabei – hat vor allem in Social Media beste Chancen, weiterverbreitet zu werden. Lars Stark, Geschäftsführer der kreativen Digitalagentur Buddybrand, betont zwei Fakten: „93 Prozent der Verbraucher halten nutzergenerierte Inhalte für eine hilfreiche Ressource bei Kaufentscheidungen.“ Und: Vor allem Millennials reagierten auf nutzergenerierte Inhalte. Untersuchungen zeigen, dass diese Art von Informationen 20 Prozent mehr Einfluss auf deren Käufe und Entscheidungsfindung habe als jede andere Art von Medien.
Warum ist das so? „Weil Konsumentinnen und Konsumenten den Empfehlungen anderer Konsumenten – in diesem Falle der Influencerinnen und Influencer – mehr vertrauen als Inhalten, die Unternehmen produzieren“, erklärt Marina Kellner, die mit ihrer Agentur MSK + Partners, Hamburg, Unternehmen in Sachen Social Media berät. Zudem sei die Beziehung zwischen den digitalen Meinungsbildnern und ihrer Peer Group emotionaler: Schließlich gehe es um gemeinsame Interessen und Themen.

Die Brand spricht die Sprache der Zielgruppe

Das überträgt sich auf die Inhalte. Die Ansprache oder Gestaltung erfolgt exakt in dem Stil, den die User kennen. Anders gesagt: „Die Brand spricht die Sprache der Userinnen und User“, erklärt Jessica Bartz, Head of Account Management der Influencer- Marketing-Agentur Buzzbird (Berlin). „Es bietet eine Möglichkeit, sich Creatives einzukaufen, die der Social-Media- Sprache entsprechen und günstiger sind als die von teuren Filmproduktionen“, erklärt sie.
Und sie verweist auf die Risiken. User haben ein feines Gespür dafür, ob ein Post in Stil, Inhalt und Tonalität passt. Marken müssten das berücksichtigen und den Content-Creators größtmögliche Freiheit einräumen, so Bartz. Ein Instagram-Post ist kein Werbeclip. Wer das nicht im Blick hat und den Creators zu enge Schranken setzt, riskiert einen negativen Effekt auf das Image. Ein weiteres Risiko: Influencer sind nicht so professionell aufgestellt wie etwa Freelancer in der Werbewirtschaft. Timings, Deadlines, Briefings – alles werde schon mal gerissen. Darum sei es gut, Vereinbarungen schriftlich festzuhalten und hinreichend Zeit einzuplanen, rät Bartz.

Im Vorfeld ist gute Recherche angesagt

Damit der Content für das Unternehmen oder die Marke verwertbar ist, müssen die Verantwortlichen im Vorfeld gut recherchieren und eine Strategie ausarbeiten, rät Buddybrand-Geschäftsführer Stark: Passt der Creator oder die Creatorin zur Marke? Gab es in der Vergangenheit Aussagen oder Posts, die negativ auf die Marke zurückfallen können, wenn publik wird, dass er oder sie hinter bestimmten Inhalten stehen? Entspricht die Qualität der Inhalte den Guidelines der Marke? Passt die Community zu den Zielgruppen- Vorgaben?

Simon Berg, Electric Elephant PublishingEine gute Beziehung zu den Creators ist wichtig, da die Produktion von Inhalten immer auch die kreative Freiheit des Influencers berücksichtigen sollte.
Simon Berg, Electric Elephant Publishing

Aber trotz der Risiken – am Ende profitieren Unternehmen. Vor allem wenn sie Inhalte für das Content-Marketing auf jungen Kanälen wie Tiktok oder Twitch benötigen. Und gerade in der Corona-Krise greift ein weiterer Vorteil: Viele Influencer sind erfahren in der Arbeit von Zuhause und darin, mit kleinen Mitteln guten Content zu erstellen - ein Vorteil, und gut, wenn man es nutzen kann, dass sie dann arbeiten können, wenn es Produktionsfirmen oder Inhouse- Teams nicht können.

 

Zusammenarbeit auf Augenhöhe bringt mehr

Damit die Kampagne gelingt, rät Stark dazu, im Vorfeld messbare Ziele zu definieren. Zudem brauche es zumindest bei Themenfindung, Art der Umsetzung sowie der Kanalauswahl Augenhöhe zwischen Creatoren und Unternehmen. „Influencer wissen, was die Zielgruppe möchte, da sie ganz nah dran sind und aus Erfahrung wissen, wie man deren Bedürfnisse stillt“, erklärt der Buddybrand-Mitbegründer. Eine faire und gleichberechtigte Zusammenarbeit sei hier durchaus zielführend. „Eine gute Beziehung zu den Creators ist wichtig, da die Produktion von Inhalten immer auch die kreative Freiheit des Influencers berücksichtigen sollte. Kommt es hier zu Unstimmigkeiten, ist kaum ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen“, bestätigt Simon Berg (EEP).
Der Case Thermos zeigt jedenfalls, dass es sich für Unternehmen durchaus auszahlt, mit den digitalen Meinungsbildnern zusammenzuarbeiten. Der Content, den die Creatoren für den Hersteller entwickeln, komme in der Community gut an und mache inzwischen 40 Prozent der veröffentlichten Inhalte aus, so Berg. Diese Inhalte sind inzwischen zum festen Part in der Social- Media-Strategie von Thermos geworden. Sowohl für Facebook als auch für Instagram haben die inzwischen 19 Content- Creatoren allein im ersten Jahr jeweils 40 Inhalte produziert. Inzwischen liefern sie Foto- und Video-Inhalte für Social Media und für Werbemaßnahmen.

Influencerinnen und Influencer sorgen für Reichweite

Ein weiterer Effekt: Manche der Influencerinnen und Influencer liefern nicht nur dem Hersteller der berühmten Thermos-Kannen den Content für dessen eigene Kanäle. Sie posten sie auch selber in ihren eigenen Kanälen und sorgen so für weitere Verbreitung. Für Thermos machen das zum Beispiel Lisa-Maria Kraft und Max Bundaberg auf ihrem Instagram-Kanal zweidiereisen. Oder Lai-Chun Cheung (Syringalotus), die gleich ein Gewinnspiel kreiert. Die Marken erreichen so eine breitere Aufmerksamkeit in ihren Zielgruppen und eine höhere Wirkung. „Durch ihre hohe Sichtbarkeit werden die Inhalte sehr häufig aufgerufen, was auch den Influencern selbst viele Vorteile und viele Besucher bringt. Marken können auch so lange nach der Influencer-Marketingkooperation von den Inhalten profitieren und sogar neue Leads oder Sales generieren“, sagt Marina Kellner von MSK + Partner.

Autorin(nen) / Autor(en):
Fachjournalist für digitale Medien und Marketing