Luxus frei Haus

Luxus frei Haus

Der Online-Markt für Luxusmode wächst weltweit sprunghaft. Nur Deutschland bleibt hinter der internationalen Entwicklung zurück – was auch an den hiesigen Kundenansprüchen liegt. Eine neue McKinsey-Studie verrät, was deutsche Modekäufer vom Online-Angebot im Luxussegment erwarten.

Unter Herstellern hochpreisiger Markenware galt es lange als ausgemacht: Luxus und ECommerce gehen nicht zusammen. Echte Premium-Kunden erwerben keine Luxusartikel per Mausklick – erst recht keine teure Mode. Zu wichtig seien persönliche Beratung und das exklusive Einkaufserlebnis in den Flagship- Stores namhafter Labels. Modeumsätze übers Internet, so die verbreitete Überzeugung, bleiben dem unteren und mittleren Preissegment vorbehalten.
Doch die Vorlieben der Konsumenten ändern sich. Die Skepsis früherer Tage ist der Freude am Komfort des digitalen Shoppings gewichen; inzwischen sind auch Premium-Marken im boomenden Online-Markt angekommen. Schon heute wird die Hälfte aller Luxuskäufe weltweit direkt oder indirekt durch das Internet ausgelöst, zum Beispiel durch Online- Recherchen oder „Buzz“ in den sozialen Netzwerken.
Und es bleibt nicht beim Schauen und Stöbern. Online gekauft wird mittlerweile die gesamte Palette hochwertiger Modeartikel, von Lederwaren über Seidenschals bis hin zu Handtaschen und Designerkleidung. Und der Trend setzt sich fort: Bis 2018 wird der Online-Markt für Damenmode im Luxussegment um durchschnittlich 20 Prozent pro Jahr wachsen. Zwölf Milliarden US-Dollar setzt die Branche dann im Internet um – doppelt so viel wie heute.
Das birgt Chancen für Hersteller und Händler. Welche Möglichkeiten der Markt bietet, und was die Kunden vom digitalen Luxusmodehandel erwarten, hat McKinsey & Company jetzt in der Studie The Opportunity in Online Luxury Fashion ausgelotet. Analysiert wurden dazu unterschiedlichste Online-Anbieter, die sich auf das Luxusmodesegment spezialisiert haben: Webshops führender Marken, Multi-Brand- Händler, Websites von Premium- Kaufhäusern, reine Luxus-E-Tailer. Befragt wurden außerdem mehr als 3500 Luxusmodekäufer in sieben Ländern zu ihren Einkaufsgewohnheiten im Internet, davon allein 1000 in Deutschland.

Wachsende Lust auf Luxusmode aus dem Netz

Neben neuen Einsichten zur Qualität und Positionierung der digitalen Verkaufsplattformen liefern die Studienergebnisse vor allem eine Erkenntnis: Das Geschäft mit Luxusmode aus dem Netz ist überall auf dem Vormarsch, doch auch im globalisierten Online-Markt bleibt das Kaufverhalten der Kunden national geprägt. Das gilt besonders für die Modekäufer aus Deutschland.
Bereits in der Web-Affinität der Luxusmodekunden zeigen sich deutliche Unterschiede von Land zu Land. Während die Studie für Frankreich und Italien bis 2018 ein Wachstum der online gehandelten Luxusmode von 21 bzw. 19 Prozent prognostiziert, bildet Deutschland mit zwölf Prozent das Schlusslicht im internationalen Vergleich. Auch die USA liegen mit 17 Prozent noch deutlich darüber. Sicher aber ist: Zweistellige Zuwachsraten verzeichnet das Online-Geschäft mit Luxusmode in allen untersuchten Ländern, wobei China mit einem Plus von 70 Prozent die Reihe der Wachstumsmärkte mit weitem Abstand anführt.
Die neue Lust der Konsumenten auf Luxusmode aus dem Netz wirkt wie eine Initialzündung auf die Branche. Viele hochpreisige Designerlabels haben ihre anfänglichen Ressentiments gegen den Massenkanal Internet inzwischen abgelegt. Die ursprüngliche Sorge um die Exklusivität und Kontrolle ihrer Marken weicht zunehmend der Hoffnung auf lukrative Zusatzgeschäfte. Fast alle Luxusmarken betreiben heute Websites, auf denen sie ihre Kollektionen und Accessoires nicht nur vorstellen, sondern auch zum Kauf anbieten. Aber auch Online-Handelspartnerschaften mit Premium-Kaufhäusern oder auf Luxusmode spezialisierten E-Tailer-Shops sind kein Tabu mehr, seit die Hersteller erkannt haben, dass der digitale Kanal nicht nur andere Kundenbedürfnisse bedient, sondern auch neue, kaufkräftige Zielgruppen anlockt.

Typisch deutsch: am liebsten doppelt und frei Haus

Anspruchsloser als im stationären Handel sind die Luxus-Shopper im Netz dennoch nicht. Vor allem deutsche Käufer stellen hohe Erwartungen an den digitalen Kanal. Erwartungen, die viele Onl ine-Shops bislang nicht voll erfüllen: Zwei Drittel der Befragten zeigen sich unzufrieden mit dem Service, den ihr bevorzugter Händler im Netz derzeit bietet – ein Alarmzeichen angesichts der rapide wachsenden digitalen Konkurrenz. Unter anderem nennen drei Viertel der Befragten bequeme Rückgaberegelungen als wichtigstes Kriterium für ihren Online-Einkauf, weitere 69 Prozent erwarten kostenfreie Lieferung.
Typisch für deutsche Online- Modekäufer ist auch die Gewohnheit, Kleidungsstücke in zwei Größen zu bestellen und die nicht passende zu retournieren. Luxuskunden bilden da keine Ausnahme: Für fast die Hälfte der Deutschen ist diese Option ausschlaggebend bei der Wahl ihres Online-Händlers. Zum Vergleich: Nur 27 Prozent der US-amerikanischen Luxuskonsumenten und 34 Prozent der britischen legen Wert auf diesen Service. Deutlich weniger relevant ist dagegen die derzeit vieldiskutierte Expresslieferung am Tag der Bestellung – nur jeder zehnte deutsche Kunde betrachtet „Same- Day-Delivery“ als wichtiges Kriterium beim Kauf von Luxusmode; in Großbritannien und den USA sind es nur geringfügig mehr.
Stärker locken lassen sich die Deutschen von gut aufbereiteter Information im Netz: Redaktionelle Inhalte auf der Website oder im Newsletter animieren jeden vierten Kunden zum Kauf eines Luxusmodeartikels. Hier punkten bislang vor al lem die großen Mehrmarkenhändler. Ein Signal aber auch an andere Anbieter, ihre Vorteile als Informationsmedium noch stärker als bisher zu nutzen, um sich vom stationären Wettbewerb zu differenzieren und ihre Webshops mit maßgeschneidertem Content noch attraktiver zu machen.

Gute Gründe für den Online-Shop

Die technologischen Stärken der Online-Shops gegenüber dem stationären Modehandel kommen nicht nur beim Informationsgehalt zum Tragen: Smartes Shopping rund um die Uhr von jedem Ort aus, direkte Preis- und Produktvergleiche und größere Sortimentsauswahl sind die Hauptargumente deutscher Luxuskunden für den Einkauf via Smartphone, Tablet oder PC. Jeder Zweite empfindet sogar die Abwesenheit persönlicher Verkaufsberater als Vorteil weil sie entspannteres Stöbern erlaubt. Der direkte Zugang zu den Meinungen anderer Kunden ist für weitere 39 Prozent ein guter Grund, Luxusmode online zu shoppen.
Händler können ihren Absatz im digitalen Kanal indessen noch weiter steigern, wenn sie nicht nur vorhandene Stärken ausspielen, sondern auch die Anregungen ihrer Kunden aufgreifen. Denn selbst den preisbewussten Deutschen kommt es durchaus nicht nur darauf an, teure Mode im Netz günstiger zu erstehen. Zwar wünschen sich 44 Prozent bessere Preise, jedoch auch 31 Prozent exklusive Produktlinien und weitere 28 Prozent Bewertungsforen, in denen Kunden ihre Kauferfahrungen schildern. Wichtig für deutschsprachige Luxus-Shopper sind außerdem regional angepasste Websites mit gängigen Bezahlsystemen, lokalen Kleidergrößen und Kundenservices in Landessprache.

Wege aus der Nische

Die Studienresultate machen deutlich: Es gibt viele Ansatzpunkte für Verbesserungen, die für manchen Händler in Zukunft überlebenswichtig werden können. Denn der Online- Markt für Luxusmode ist eine hart umkämpfte Nische, in der vor allem die Sichtbarkeit zählt. Zahlreiche Anbieter teilen sich das wachsende Handelssegment – vom traditionellen Markenhersteller bis zum virtuellen Multi-Brand-Store. Doch gerade deutsche Luxus-Shopper setzen bei ihren Einkaufstouren im Netz vor allem auf Bekanntes und Bewährtes: Mehr als die Hälfte der Käufer (57 Prozent) bezieht ihre Modeartikel direkt von den Websites der Luxus- und Designermarken, gefolgt vom Online-Shop des größten deutschen Premium-Kaufhauses KaDeWe (40 Prozent). Reine E-Tailer hingegen werden bislang nur von weniger als jedem fünften Kunden frequentiert.
Das könnte sich in Zukunft ändern, denn bei der Suche nach bestimmten Produkten oder Kategorien nehmen die Shopper insbesondere in Deutschland auch häufig die Suchmaschine zu Hilfe. Das eröffnet Chancen für neuere und kleinere Anbieter, die ihre Bekanntheit bei der Zielgruppe im Netz auf effektive Weise steigern wollen. Es erfordert allerdings teils erhebliche Marketinginvestitionen, etwa in SEM-, SEO- und Social- Media-Kampagnen, gepaart mit feinmaschigen Erfolgskontrollen, damit sich die erhöhte Online-Präsenz in nachhaltiges Umsatz- und Ertragswachstum übersetzt.
Lohnen dürfte sich der Einsatz allemal. Denn die Bereitschaft zum Kauf von Luxusmode aus dem Internet wird in den kommenden Jahren weiter steigen – auch in Deutschland. Gleichzeitig kündigt jeder dritte Käufer an, in Zukunft generell mehr Geld für Luxusgüter ausgeben zu wollen. Eine attraktive Preisgestaltung und exklusive Produktangebote dürften dem Trend zum Online-Einkauf zusätzliche Schubkraft verleihen. Die Händler haben es in der Hand, das Beste aus diesen Marktbedingungen zu machen.

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Autorin(nen) / Autor(en):
Principal im Frankfurter Büro
McKinsey & Company
Associate Principal im Düsseldorfer Büro
McKinsey & Company