Was Gen Z an Marken bindet

Was Gen Z an Marken bindet

Die Generation Y ist noch in aller Munde, da geht es vielerorts schon um Gen Z. Kein Wunder, denn es ist diese Generation, die in den nächsten Jahren auf den Arbeitsmarkt drängen und sich zu einer solventen neuen Zielgruppe entwickeln wird. Das Interesse der Marketeers, sie für sich zu gewinnen, von ihren Marken und Produkten zu begeistern, ist nur allzu verständlich. Erst recht, wenn man bedenkt, dass es sich dabei um die Digital Natives handelt, denen das Smartphone förmlich mit in die Wiege gelegt wurde. Diese Entwicklung hat erhebliche Implikationen für das Medienverhalten und die Art und Weise einer optimalen Zielgruppenansprache.

Wenn man sich einmal detaillierter mit der bestehenden Literatur auseinandersetzt, dann kann einem als Markenverantwortlichen angst und bange werden. Die Generation Z tickt in Bezug auf Marken und Werbung offenbar noch einmal anders als ihre Vorgänger. So schreibt etwa Christian Scholz in der Huffington Post unter dem Titel „Generation Z verweigert Konsum: Das Aus für Markenartikel?“: „Die Ära der markentreuen Lemminge hat ein Verfallsdatum, und das ist für die Generation Z erreicht. Marken haben bei dieser Zielgruppe nahezu keine Relevanz – weder als Indikator für Qualität noch als Statussymbol.“
Dass Marken sich von Ich-Marken (die Marke steht im Mittelpunkt) zu Wir-Marken (der Konsument steht im Mittelpunkt) hinbewegen müssen, um die Generationen YZ anzusprechen, haben unter anderem Uwe Lebok und Hermann Wala in ihrem Buch Schöne Meine Welt herausgearbeitet. Auch andere Quellen bezeichnen die Gen YZ als narzisstisch und egoistisch. Diese Charakterisierung impliziert, dass Marketing in Zukunft viel stärker und persönlicher um die neuen Generationen werben muss. Die Bezeichnung Gen YZ kommt in der Literatur häufig vor. Doch ist es überhaupt richtig, beide Generationen zusammenzufassen – vor allem wenn es um ihre Ansprache geht?
Wir wollen im Folgenden erste Antworten auf die Frage liefern, welche Strategien für Markenkommunikation bei Gen Z fruchten und wie sich diese eventuell von der Gen Y unterscheiden. Dazu müssen wir die Gen Z und die hinter ihrem Verhalten liegenden Beweggründe verstehen. Das „Warum“ der Generationenunterschiede wird von den meisten vorliegenden Quellen nur oberflächlich gestreift, birgt aber letztlich die wirksamsten Hebel. Psychologisch ausgerichtete Forschung sollte den Motiven der Gen Y und Gen Z im Kontext Marken, Kommunikation und dem jeweiligen Shoppingverhalten nachgehen. Am Anfang stand eine Reihe konkreter Hypothesen, die es zu überprüfen galt. Keine Forschung ohne Marketingziel, keine Analyse ohne Konzept.
Weil wir aber durch direktes Fragen nur Antworten erhalten hätten, die den Social-Compatibility Check der Teilnehmer bestehen, haben wir auf das Kern-Tool bei K&A BrandResearch zurückgegriffen. Grundgedanke des K&A Psychodrama® ist der, dass wir Menschen in die wirklich entscheidenden, emotional geprägten Logiken unseres Verhaltens keinen direkten Einblick haben. Der Psychologe und Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman konnte zeigen, dass das intuitive Entscheidungsnetzwerk in unserem Gehirn, das er als „System 1“ bezeichnet, um ein Vielfaches häufiger zum Zuge kommt als das sehr viel aufwändigere „System 2“, mit dem wir rational abgewogene Entscheidungen etwa über einen Immobilienkredit treffen. In aller Regel wählen Menschen nach ihrem Bauchgefühl, treffen Entscheidungen extrem schnell – einem Autopiloten gleich – auf Basis lange gelernter Heuristiken. Solche Daumenregeln haben wir uns im sozialen Umfeld antrainiert oder selbst zurechtgelegt. Rational begründen können wir sie nur in den seltensten Fällen, zum größten Teil sind sie uns nicht einmal bewusst. Ein einfaches Beispiel ist der Glaubenssatz „Was nichts kostet ist nichts wert“ oder simple Signalfarben wie Dunkelgrün für vermeintlich biologisch erzeugte Lebensmittel. Problematisch werden diese ur-menschlichen und im Sinne des Energiesparens – das Gehirn ist unser Energie-hungrigstes Organ – hoch sinnvollen Zusammenhänge gerade in der Marktforschung.
Denn wenn wir keine Einsicht in unser Entscheidungsverhalten haben und dies auch und gerade für alltägliche Konsumentscheidungen gilt –, wie soll direktes Fragen nach dem „Warum“ in Interviews oder Gruppendiskussionen dann hilfreiche Ergebnisse liefern? Gar nicht. So einfach ist das. Und erklärt die unglaublich hohen Flopraten „erforschter“ Neuprodukte und neuer Marken. Seit Mitte der 80er-Jahre steht als Antwort auf das Paradox der Marktforschung das psychodramatische „Fragen, ohne zu fragen“ zur Verfügung. Der Ansatz stammt aus der Gruppenpsychotherapie und nutzt insbesondere sogenannte Rollenarbeiten. Verbraucher schlüpfen in Rollenspielen in die eigene und viele andere Rollen, um im Nacherleben so zu agieren, wie sie es im echten Leben auch tun. Daran lässt sich mit erfahrener Moderation ansetzen, variieren, experimentieren – spielen. Es entstehen lebensnahe Erkenntnisse, die dem Marketing wirksame Perspektiven aufzeigen. Wer nah am Leben forscht, der kann echte Handlungsempfehlungen abgeben.
Ein Ergebnis unserer Generationenstudie: Involvierende Geschichten und dazugehörige (digitale) Erlebnisse sind ein sehr geeignetes Mittel, um Gen Z für Marken zu interessieren. Storytelling hilft der guten alten Marke auch bei Gen Z – lesen Sie selbst.
Mathias ist 29 Jahre alt, Carolin 20. Sie sind Geschwister, er gehört zur Gen Y, sie zur Gen Z. Als Jugendlicher musste sich Mathias das Privileg, ein Handy zu besitzen, erst erarbeiten. Handys waren damals noch keine Massenware. Das hatte sich bis zu Carolins Eintritt ins Gymnasium schon verändert. Ihre Freunde hatten alle Handys, ihre Familie auch, das erste eigene ließ nicht lange auf sich warten. Über die Jahre und bis zum heutigen Tag hat Carolin alle gängigen Plattformen ausprobiert. Für sie begann alles mit WhatsApp, weil ihre Eltern und ihr Bruder das nutzen, um mit ihr zu kommunizieren. Als Carolin bei ihrem Bruder sah, welche tollen Sachen er mit Facebook anstellen konnte, probierte sie auch das aus. Heute benutzt sie vor allem Instagram und Snapchat, um von den neuesten Trends zu erfahren und ihren Freunden Schnappschüsse von unterwegs zu schicken. Im Gegensatz zu ihrem Bruder, der bei Facebook unendlich viele „Freunde“ hat, sind nur die Leute aus ihrem direkten Umfeld mit ihr auf Snapchat verbunden. Facebook nutzt sie heute kaum noch, eigentlich nur, weil ihre Studiengruppe sich dort „zusammenschreibt“. Ihr geht Werbung bei Facebook ziemlich auf die Nerven, sie meint „die ist wie im TV“: generisch und unflexibel. Sie mag lieber personalisierte Werbung auf Instagram, da sieht sie nur, was sie wirklich interessiert. „Die haben durch meine jahrelange Online-Nutzung eh alle meine Daten, dann sollen sie auch was Nützliches damit anstellen und mir nicht alles an Werbung präsentieren, was es gibt, das ist mir viel zu stressig.“
Ihr Bruder versteht diesen „Leichtsinn“ nicht, ihm ist der Schutz seiner Daten wichtig. „Ich kann es absolut nicht leiden, wenn ich auf Facebook Werbung zu einem Produkt bekomme, nach dem ich weder auf meinem Handy noch auf meinem Computer gesucht habe. Der Computer, den ich für die Suche genutzt habe, hat nichts mit meinem Facebook-Konto zu tun, da frage ich mich, wie die an meine Daten kommen?!“

Die Ära der markentreuen Lemminge hat ein Verfallsdatum und das ist für die Generation Z erreicht.

Carolins Mindset steht stellvertretend für die Gen Z. Im Gegensatz zur Gen Y, die noch weitgehend analog aufgewachsen ist, ist ihre Nachfolgegeneration mit digitalen Medien groß geworden. Dadurch erreicht sie ein völlig neues Level an digitaler Kompetenz. Ihr „reales“ und digitales Leben formen erstmals eine natürliche Symbiose. Dieser ungezwungene Umgang mit sozialen Netzwerken und digitalen Medien inkludiert, dass Carolin viel offener mit dem Thema Data Sharing umgeht als ihr Bruder. Ihre Unbeschwertheit geht allerdings mit hohen Erwartungen einher. Denn im Gegenzug erwartet die Gen Z, dass Marken ihren individuellen Wünschen gerecht werden. Hohe digitale Kompetenz ermöglicht eine Art digitalen Deal, den Carolin bereit ist einzugehen: Daten gegen persönlichen Nutzen!
Den Mechanismus sollten sich Marketeers auf der Zunge zergehen lassen. Die neue Generation nimmt die entstehenden Möglichkeiten sehr ernst und kennt sie häufig besser als die Entscheider auf Marketingseite. Gen Z erwartet Gegenleistung und schmäht die stumpfe Übertragung alter Kommunikationsformen ins Digitale. Oft fehlt es an nativ-digitalen Strategien, für die Gen Z mit am Entscheidertisch sitzen muss.
Die Gen Y tut sich mit digitaler Ansprache schwerer. Bei Mathias führen analoges und digitales Leben eher parallele Existenzen. Auch an Datenschutz hält die Gen Y fest. Wir finden hier stärkere Reaktanz gegenüber personalisierter Werbung. Tatsächlich sind analoge Medien für die Generation Y potenziell relevanter. Ihre Nebeneinander-Nutzung führt aber auch leicht in eine Schockstarre zwischen den Welten. Im Gegensatz zur Gen Z versagt Gen Y oft in der Steuerung der Kommunikationsflut. Sie flüchtet sich in Rollenspielen folgerichtig in die ruhige und heile Welt der Wochenmärkte.
Während sich die Gen Y als Übergangsgeneration begreifen lässt, bietet Gen Z der Digitalisierung souveräner die Stirn und sucht sich gezielt aus, wo sie welcher Kommunikation begegnen will. Sie möchte direkt und persönlich angesprochen werden, nutzt Digitales extrem pragmatisch, will davon ebenso profitieren wie die Marke. Wie wird wohl die nächste Generation (Alpha) agieren? Sie ist noch kein sehr verbreitetes Gesprächsthema. Aber stellen wir sie uns einmal kurz vor: Generation Alpha lernt den Umgang mit digitalen Medien noch bevor sie überhaupt sprechen kann und wächst mit Assistenzsystemen wie Amazon’s Alexa auf. „Always on“ wird für die Generation Alpha eine Unterscheidung in digitale und analoge Realität kaum mehr nachvollziehbar sein. Wie viel Digitalabstinenz können sich Marken dann noch leisten?

 

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Autorin(nen) / Autor(en):
Director BrandPsychology und Mitglied der Geschäftsleitung
K&A BrandResearch
Brand Consultant
K&A BrandResearch